Autonomes Fahren steht noch auf der Bremse

Autonomes Fahren steht noch auf der Bremse

23. März 2020 1 Von Jürgen Rinn

Autonomes Fahren soll in den kommenden Jahren mehr und mehr Realität werden. Doch gibt es hier einen Dämpfer. Selbstfahrende Autos sind zwar bereits auf Teststrecken unterwegs.  Allerdings dürften nach Ansicht von Experten noch Jahrzehnte vergehen, bis sie zum automobilen Alltag gehören.

Jules Verne – Wegbereiter für autonomes Fahren?

Die Zukunft der Mobilität hat schon in der Vergangenheit Visionäre bewegt. Damals sprach man zwar in der Regel noch nicht von Mobilität, sondern von Fortbewegung, aber der Blick richtete sich immer auch nach vorn. So nahm schon einer der Väter der Science-Fiction-Literatur, Jules Verne, auf der Basis der technischen Gegebenheiten seiner Zeit spätere Entwicklungen vorweg – wie etwa beim U-Boot.

Heute ist die Vision vom autonomen Fahren längst in aller Munde: Das Auto gibt selbstständig Gas, lenkt, bremst und überholt, während sich der Fahrer entspannt zurücklehnt, Zeitung liest oder seinen nächsten Termin vorbereitet. Ungewiss scheint weniger, ob, sondern wann dieses Szenario Wirklichkeit wird, denn die Hersteller arbeiten bereits heute am automatisierten Fahren. Die Einführung des automatisierten Fahrens wird Schritt für Schritt erfolgen, vom assistierten Fahren über teil- und hochautomatisiertes Fahren bis zum vollautomatisierten Fahren. Allerdings beginnt die Zukunft wohl doch erst später als gedacht, zumindest was das autonome Fahren angeht.

Zwar sind selbstfahrende Autos bereits auf Teststrecken unterwegs. Doch bis sie zum automobilen Alltag gehören werden, dürften nach Ansicht von Experten noch Jahrzehnte vergehen. Die euphorischen Pläne der Industrie, die bis Mitte dieses Jahrzehnts die ersten autonomen Fahrzeuge in den Straßenverkehr bringen wollte, haben somit den Realitätscheck bislang nicht bestanden. Doch die Vision besteht fort, dass uns in nicht mehr allzu ferner Zukunft Roboterautos entspannt, sicher und umweltverträglich von A nach B transportieren werden.

Was bremst bislang den Fortschritt?

Branchenkenner sehen die Technologie des Autonomen Fahrens schon weiter entwickelt, als es sich auf den Straßen zeigt. Es hapert aber an den notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen sowie bei der Akzeptanz und Nachfrage seitens der Verbraucher, so die Aussage von Experten. Insbesondere schlagzeilenträchtige Unfälle von selbstfahrenden Autos wie etwa vor zwei Jahren in den USA, als ein Roboterauto des Fahrdienstanbieters Uber bei einer nächtlichen Testfahrt eine Fußgängerin tötete, als sie die Straße kreuzte.

Die Fahrzeug-Software soll die Frau, die ein Fahrrad schob, nicht rechtzeitig erkannt haben. Uber stellte darauf den Testbetrieb mit den selbstfahrenden Autos zunächst ein. Inzwischen testet das Unternehmen jedoch wieder den autonomen Betrieb von zwei Fahrzeugen in San Francisco. Nicht unerhebliche Fehlfunktionen bei Tesla-Autos kontrakarieren das Vertrauen auf Kundenseite. So ist die Rede davon, dass der „Autopilot“ plötzlich und ohne ersichtlichen Grund Vollbremsungen auslöst.

Nicht mal ein Fünftel glaubt an die Sicherheit von autonomen Fahrzeugen

Eine aktuelle Umfrage der Beratungsgesellschaft Alix-Partners ergab, dass zurzeit nur 18 Prozent der Deutschen an die Sicherheit von autonomen Fahrzeugen glauben. Während demnach nicht einmal jeder fünfte Bundesbürger keine Vorbehalte in Bezug auf die Sicherheit von autonomen Fahrzeugen hat, plagen 58 Prozent der Chinesen keine Zweifel, dass ein weiterentwickeltes autonomes Fahrzeug sie sicher von einem Ort zum anderen navigieren und fahren könnte, so die Verfasser der Studie „Autonomes Fahren der Zukunft“.

Laut Analyse von Alix-Partners soll sowohl das Interesse an hochautomatisierten und vollautonomen Fahrzeugen als auch die Bereitschaft, einen substanziellen Aufschlag für die neue Technik zu zahlen, deutlich geringer ausfallen als angenommen. Das Kaufinteresse an autonomen Autos wird demnach in Zukunft sogar noch zurückgehen zugunsten automatisch gesteuerter und individuell buchbarer Taxis on demand. Dies gilt, wenn diese Angebote in puncto Kosten mit dem Unterhalt des eigenen Autos mithalten können.

Autonomes Fahren: haftet der Fahrer?

Wen trifft die Schuld, wenn es knallt? Bei hochautomatisierten Fahrzeugen stellt sich zunächst die Frage, wann dem Fahrer noch ein Verschulden anzulasten ist. Je mehr Fahrsituationen das System eigenständig bewältigt, umso weniger ist der Fahrer am Fahrgeschehen beteiligt. So sehen Automobilhersteller weitere offene Fragen auf dem Weg zum autonomen Fahren bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies gilt insbesondere, was unterschiedliche nationale Bestimmungen zum automatisierten und autonomen Fahren anbetrifft. Hier wünscht sich die Branche einen international harmonisierten Rechtsrahmen. Und grundsätzlich müsse die Gesetzgebung mit der technischen Entwicklung Schritt halten, da sonst wichtige Innovationen beim automatisierten und autonomen Fahren nicht auf die Straße kommen könnten, heißt es etwa bei Daimler Benz.

Haftungszusammenspiel zwischen Halter und Fahrer

Ein anderes diskutiertes Thema im Zusammenhang mit autonomem Fahren ist die Haftung. Solange nur Fahrzeuge unterwegs sind, bei denen Assistenzsysteme den Fahrer mehr oder weniger unterstützen, gilt: Der Fahrer, bzw. seine Kfz-Versicherung, haftet für selbst verursachte Schäden. Das gilt auch noch für teilautomatisierte Fahrzeuge, wenn der Fahrer nach wie vor die Hoheit über alle Systeme und das Auto hat.

 „Wir wollen das Haftungssystem so lassen wie es ist – als Schutzschild für die Verkehrsopfer“, sagt HUK-COBURG-Vorstand Klaus-Jürgen Heitmann. Für ihn soll sich an diesem Prinzip auch in Zukunft nichts ändern. Er setzt sich deshalb dafür ein, dass auch bei Unfällen mit autonom fahrenden Autos grundsätzlich die Kfz-Versicherung „führend reguliert“. Denn nur die Kfz-Versicherung mit ihren etablierten Prozessen kann auch in Zukunft effizient Schadenfälle regulieren, ist Heitmann überzeugt.

Wenn es so käme, würde das seiner Meinung nach die Haftungsfrage nicht vollständig beantworten. Denn in bestimmten Fällen könnte eine Produkthaftung gegen den Hersteller des Fahrzeugs bzw. der jeweiligen Software in dem autonomen Fahrzeug greifen. Dies solle aber aus Sicht der Versicherer dann ein Thema zwischen ihnen und den Herstellern sein. Doch solange diese Fragen noch nicht abschließend sowie für den Verbraucher verständlich und nachvollziehbar geregelt sind, wird das die Skepsis der Kunden gegenüber dem autonomen Fahren nicht mindern. Und ohne Akzeptanz in der Bevölkerung wird sich die neue Technologie nicht durchsetzen können, dessen sind sich die Experten gewiss.

Foto: GOSLAR INSTITUT

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