BGH-Entscheidung: Stellantis scheitert endgültig mit Beschwerde gegen freien OBD-Zugang für Werkstätten
16. Oktober 2025Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 25. September die Beschwerde des Fahrzeugherstellers Stellantis gegen die Nichtzulassung der Revision endgültig abgewiesen. Damit bestätigt das höchste deutsche Zivilgericht ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln, welches unabhängigen Werkstätten den uneingeschränkten Zugang zu Fahrzeugdaten über die On-Board-Diagnose-Schnittstelle (OBD) zusichert. Die Entscheidung beendet einen mehrjährigen Rechtsstreit in Deutschland, der von der Belron-Gruppe, Muttergesellschaft von Carglass, geführt wurde und schafft Fakten für den freien Kfz-Servicemarkt.
Hintergrund: ADAS-Kalibrierung erfordert OBD-Zugang
Der Kern des Rechtsstreits betrifft den technischen Zugang zu Fahrzeugsystemen, der für die ordnungsgemäße Wartung und Reparatur unerlässlich ist. Konkret ist der Zugriff auf den Datenstrom eines Fahrzeugs über die OBD-Schnittstelle für unabhängige Dienstleister erforderlich, um Fahrerassistenzsysteme (ADAS) wie Spurhalte- oder Notbremsassistenten zu rekalibrieren. Insbesondere nach einem Austausch der Windschutzscheibe ist eine solche Rekalibrierung zwingend notwendig, um die korrekte Funktion der sicherheitsrelevanten Systeme zu gewährleisten.
„Diese wegweisende Entscheidung ist eine hervorragende Nachricht für Verbraucher und den europäischen Kfz-Servicemarkt. Sie garantiert faire Wettbewerbsbedingungen für unabhängige Werkstätten, schützt den freien Wettbewerb und die Wahlfreiheit der Verbraucher. Vor allem bestätigt sie das ursprüngliche EuGH-Urteil in Deutschland endgültig.“
Carlos Brito, CEO von Belron
Juristischer Kontext: Mehrstufige Bestätigung des freien Datenzugangs
Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die vierte und letzte Instanz in diesem spezifischen Fall. Sie bekräftigt die vorangegangenen Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Köln. Diese nationalen Urteile stehen im Einklang mit einer grundlegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die klarstellt, dass Beschränkungen des Zugangs zu Fahrzeugdaten durch Fahrzeughersteller nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Damit ist der standardisierte und uneingeschränkte Zugang zu Reparaturdaten rechtlich fest verankert.
Cybersecurity-Argument als nicht verhältnismäßig bewertet
Ein zentrales Argument von Fahrzeugherstellern für die Beschränkung des Datenzugriffs sind potenzielle Cybersicherheitsrisiken. In diesem Kontext verweist Belron auf eine unabhängige Bewertung der Automotive-Cybersecurity-Experten von CYRES. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass Zugangsbeschränkungen für ADAS-Rekalibrierungen in Bezug auf etwaige Cybersicherheitsrisiken „weder angemessen noch verhältnismäßig“ seien. Die Gerichte bestätigten die Position, dass der Zugang zur OBD-Schnittstelle so gestaltet werden kann, dass sowohl die Cybersicherheit gewährleistet als auch notwendige Rekalibrierungen ermöglicht werden.
„Die Auslegung des Gesetzes durch den Europäischen Gerichtshof ist damit glasklar: Kfz-Servicebetriebe sind berechtigt, unmittelbar und ohne Einschränkungen auf Fahrzeugdaten zuzugreifen. Verbraucher sollten nun so bald wie möglich von einem fairen und wettbewerbsfähigen Zugriff auf Fahrzeugsysteme profitieren können.“
Jean-Pierre Filippini, Geschäftsführer der deutschen Carglass GmbH
Foto: Carglass



