In Deutschland ist bidirektionales Laden noch Zukunftsmusik

In Deutschland ist bidirektionales Laden noch Zukunftsmusik

29. Januar 2025 0 Von Dr. Frauke Hewer

Es könnte so schön sein: das E-Auto vor der Tür speichert den Strom, den die Solaranlage auf dem Dach liefert und gibt ihn bei Bedarf ab: ins eigene Haus oder ins Netz. Wenn dann die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, hätten alle was davon. Aber bidirektionales Laden ist in Deutschland noch in weiter Ferne. Grund dafür: Bürokratie. Denn die Technik ist längst da.

Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren. Mit bidirektionaler Ladetechnologie können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies Europas Energieversorgern und Autofahrern Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Diese resultieren vor allem aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten, der Reduzierung von Abregelungen und einem geringeren Kraftstoffverbrauch.

Technologischer und wirtschaftlicher Durchbruch

Das könnte für bidirektionales Laden (BiDi) in europäischen Märkten einen technologischen und wirtschaftlichen Durchbruch bedeuten. Entscheidend dafür sind jedoch regulatorische Rahmenbedingungen, die den Einsatz dieser Technologie fördern. Ohne sie bleibt das Potenzial des smart Grid ungenutzt.

Die Autos, die für bidirektionales Laden genutzt werden könnten, gibt es längst. So hat Fahrzeughersteller Ford gerade angekündigt, dass sich seine Elektromodelle als Speichererweiterung für Gebäude mit E3/DC-Hauskraftwerk einsetzen lassen. Möglich wird dies laut Ford durch die moderne EDISON V2H Wallbox des Stromspeicher-Spezialisten E3/DC. Und auch Renault bringt derzeit Fahrzeuge auf den Markt, mit denen bidirektionales Laden möglich ist.

Bidirektionales Laden könnte 22 Milliarden pro Jahr einsparen

Durch die Zwischenspeicherung und Wiedereinspeisung von Netzstrom in die Akkus von Elektroautos könnten ein hohes Maß an Flexibilität bereitgestellt und enorme Summen eingespart werden: In einer Studie beziffern die beauftragten Fraunhofer-Institute das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU auf bis zu 22 Milliarden Euro jährlich. Das wären rund acht Prozent der Kosten für den Bau und Betrieb des EU-Energiesystems. Von 2030 bis 2040 könnte die netzwirksame BiDi-Technik laut den Forschern EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen. Allein in Deutschland ist nach den Studienergebnissen bis 2040 eine jährliche Entlastung von rund 8,4 Milliarden Euro möglich.

Diese großen Summen kommen dadurch zustande, dass durch den Einsatz der enormen Speicherkapazität des E-Auto-Bestandes immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem integriert werden könnte. Durch den Einsatz der Fahrzeugakkus wäre es laut der Studie möglich, den Bedarf an teureren, stationären Zwischenspeichern in der EU um bis zu 92 Prozent zu senken. Zusätzlich könnte die installierte PV-Leistung im gleichen Zeitraum um bis zu 40 Prozent steigen.

Lebensdauer der Batterie könnte steigen

Die Halter von batterieelektrischen Fahrzeugen können ganz unmittelbar durch bidirektionales Laden profitieren. Die Studie prognostiziert für die Anwender in der EU erheblich geringere Stromkosten. Und ein für manche Menschen überraschender Nebeneffekt: Die Lebensdauer der Fahrzeug-Akkus dürfte durch smartes bidirektionales Laden zunehmen, da der Ladestatus der Batterien optimiert wird.

Bislang wurde das bidirektionale Laden nur in verschiedenen Pilotprojekten erprobt. Doch das Münchner Unternehmen The Mobility House und der Fahrzeughersteller Renault haben in Frankreich das erste Vehicle-to-Grid(V2G)-Angebot auf den Markt gebracht: Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer dafür konzipierten Wallbox und einem besonderen Tarif kostenfrei ihr Auto laden und stellen im Gegenzug ihren Fahrzeugakku in den Dienst des gesamten Energiesystems. Schon im kommenden Jahr soll das neue Angebot auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich an den Markt gehen.

Hemmschuh in Deutschland: smart Meter sind nicht da

Doch gerade im absatzstarken Automarkt Deutschland sind noch einige Hürden zu überwinden: Der Roll-out von Smart Metern, ohne die V2G nicht funktioniert, verläuft weiterhin schleppend, und auch der notwendige rechtliche Rahmen muss noch geschaffen werden. Die Ergebnisse des vom Bundeswirtschaftsministerium veranstalteten zweiten Europäischen Gipfels für bidirektionales Laden zeigen klare Handlungsempfehlungen auf – nun kommt es auf die Umsetzung an. Wichtige Punkte könnten dabei sein, die Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte, Abgaben und Umlagen abzuschaffen sowie sicherzustellen, dass „grüner“ Strom seine Eigenschaften und Förderansprüche nach dem EEG auch bei einer Zwischenspeicherung im Akku eines Elektroautos behalten könnte.

Auf die Entwicklungen reagiert The smarter E Europe, eine Messeallianz für die Energiewirtschaft. Sie widmet dem Thema 2025 eine eigene Sonderschau, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. The smarter E Europe findet vom 7. bis zum 9. Mai 2025 auf der Messe München statt und vereint die vier Fachmessen Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe.

Foto: The smarter E Europe. Fotograf: © Solar Promotion GmbH

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