Studie offenbart: Europa verfehlt Ladeinfrastruktur-Ziel für 2030 um 74 Prozent

Studie offenbart: Europa verfehlt Ladeinfrastruktur-Ziel für 2030 um 74 Prozent

15. Oktober 2025 0 Von Dr. Frauke Hewer

Eine aktuelle Analyse von Motointegrator und Datapulse zeigt eine erhebliche Lücke beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Europa. Fünf Jahre vor der gesetzten Frist hat die EU-27 lediglich rund 912.500 der angestrebten 3,5 Millionen öffentlichen Ladepunkte erreicht, was einem Zielerreichungsgrad von nur 26 Prozent entspricht. Um das Ziel noch zu erreichen, wäre eine jährliche Installation von über 500.000 neuen Ladepunkten erforderlich – eine massive Steigerung gegenüber dem derzeitigen Tempo von rund 150.000 pro Jahr.

Quantitative und Qualitative Defizite im Ladenetz

Die Untersuchung macht deutlich, dass die Herausforderung nicht nur in der reinen Anzahl der Ladepunkte liegt, sondern auch in deren Verteilung und technischer Leistungsfähigkeit.

  • Regionale Disparitäten: Während städtische Gebiete zumeist eine gute Abdeckung aufweisen, existieren in ländlichen Regionen erhebliche „Ladewüsten“. Besonders betroffen sind Nordskandinavien, Zentraldeutschland, das spanische Binnenland und Südpolen, wo der nächste Ladepunkt oft mehr als 40 Kilometer entfernt ist.
  • Mangel an Schnellladeoptionen: Ein qualitatives Defizit zeigt sich bei der Ladegeschwindigkeit. Weniger als 10 Prozent aller öffentlichen Ladepunkte in Europa ermöglichen High Power Charging (HPC) mit einer Leistung von über 150 kW. Dies führt zu langen Ladezeiten und beeinträchtigt die Langstreckentauglichkeit von E-Fahrzeugen.
E-Auto-Ladelücke in Europa

Ländervergleich: Dichte versus Geschwindigkeit

Die Analyse der Ladeinfrastruktur in verschiedenen europäischen Ländern ergibt ein heterogenes Bild, das die unterschiedlichen nationalen Strategien und Schwerpunkte widerspiegelt.

LandLadepunktdichte (pro 100.000 Einwohner)Anteil HPC (>150 kW)
Niederlande6842,3 %
Norwegen46230,8 %
Deutschland21715,9 %
  • Die Niederlande führen bei der Dichte der Ladepunkte, weisen jedoch den geringsten Anteil an Schnellladern auf.
  • Norwegen hingegen priorisiert klar die Ladegeschwindigkeit mit dem höchsten HPC-Anteil, liegt aber bei der Dichte nur im Mittelfeld.
  • Deutschland positioniert sich in beiden Kategorien im europäischen Mittelfeld.

Einzelhandel als Schlüsselakteur im Infrastrukturausbau

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist die zunehmend wichtige Rolle des Einzelhandels beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Private Unternehmen, insbesondere Supermarktketten, übertreffen teilweise die Anstrengungen ganzer Nationen. So betreibt beispielsweise Lidl allein 8.855 Ladepunkte und damit mehr als Länder wie Irland (4.842) oder Rumänien (6.670). Dieses Engagement unterstreicht das Potenzial privater Investitionen, um die staatlichen Bemühungen zu ergänzen und die Lücken im Netz zu schließen.

Ausblick und regulatorische Anforderungen

Um den Ausbau zu beschleunigen und die Qualität des Ladenetzes zu verbessern, verweist die Studie auf die Bedeutung der AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation). Diese EU-Verordnung setzt verbindliche Standards für die Ladeinfrastruktur. Zu den zentralen Forderungen gehören transparente Preise, die Möglichkeit zur Ad-hoc-Zahlung per Karte und die Bereitstellung von Echtzeitdaten zur Verfügbarkeit der Ladepunkte. Die konsequente Umsetzung dieser Vorgaben, gepaart mit beschleunigten Genehmigungsverfahren und stabilen Netzanschlüssen, wird entscheidend sein, um die ambitionierten Ziele für 2030 doch noch zu erreichen.

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