Fahrermangel: das sind die Lösungen
1. Februar 2023Fachkräftemangel ist mehr als ein Buzzword. Nicht erst seit der Coronapandemie fehlt es massiv an Lkw-Fahrern. Eine Studie hat jetzt analysiert, wie man dem Fahrermangel begegnen kann.
Das wichtigste Ergebnis der Studie zum Fahrermangel gleich vorneweg: der Mangel an Fahrpersonal kostete die deutsche Wirtschaft im Jahr 2022 ungefähr 10 Milliarden Euro. Und das wird sich nicht ändern. Denn auch 2023 werden weiterhin etwa 70.000 Lkw-Lenker fehlen. Die Studie hat dafür mehr als 40 verschiedene Ursachen ausgemacht, die einen direkten oder auch indirekten Einfluss auf den Mangel haben.
Am Ende gibt es 19 Maßnahmen, mit denen die Verantwortlichen dem Fahrermangel entgegenwirken können. Dazu gehören auch digitale Lösungen zur Prozessoptimierung. Ein Studienergebnis überrascht: Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer sind grundsätzlich mit ihrem Beruf zufrieden, sehen aber Verbesserungsmöglichkeiten bei den Rahmenbedingungen.
Kapazitäten in der Transportlogistik sind knapp und stark gefragt. Der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal ist seit vielen Jahren eine der größten Herausforderungen im Straßengüterverkehr. Im Februar 2022 wurde deshalb die Konsortialstudie zur „Begegnung von Kapazitätsengpässen in der Logistik mit Schwerpunkt Fahrpersonal“ unter der Leitung der Professoren Wolfgang Stölzle von der Logistics Advisory Experts (Spin-off der Universität St. Gallen), Thorsten Schmidt von der Technischen Universität Dresden und Christian Kille vom Institut für Angewandte Logistik der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) initiiert. Die hohe Bedeutung der Thematik wird auch durch die Zusammensetzung des Konsortiums unterstrichen: 16 Unternehmen, 5 Verbände und ein Betreiber einer digitalen Matching-Plattform für Arbeitgeber und gewerbliche Fachkräfte. Nun liegen die Ergebnisse im Detail vor.
Fahrermangel kostet 10 Milliarden
Geschätzte 10 Mrd. € Mehrkosten für die deutsche Wirtschaft durch fehlendes Fahrpersonal in 2022
Vorab: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Fahrerkrise sind immens. 32 identifizierte Wirkungen des Fahrermangels induzierten für den Wirtschaftsbereich Logistik eine Kostensteigerung in Höhe von schätzungsweise 3 Prozent im Jahr 2022. Allein dies führte im vergangenen Jahr zu einer Mehrbelastung für die deutsche Wirtschaft von rund 10 Mrd. €. Dies zeigen die Ergebnisse eines speziell entwickelten Modells.
Ein eigens für die Studie entwickeltes Modell quantifiziert nicht nur den Mangel an Fahrpersonal auf Basis aktueller Statistiken, sondern ermöglicht auch eine Prognose der Entwicklung des Fahrpersonalmangels. So wurde aus den vorliegenden Daten berechnet, dass aktuell mehr als 70.000 Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer fehlen. 2022 waren es ca. 53.000. Der Fahrermangel wird jährlich um rund 20.000 Fahrer zunehmen. Relativ gesehen ist dieser Mangel größer als in der Pflege oder der Erziehung.
Über 40 Ursachen
Die breit abgestützte Analyse brachte einen umfangreichen Katalog mit 40 verschiedenen Ursachen hervor, die direkt (Einsatz und Gewinnung von Fahrpersonal) oder indirekt (Organisation und Marktentwicklung) für den Mangel an Fahrpersonal verantwortlich gemacht werden können. Besonders treten dabei die Arbeitsbedingungen, das Arbeitsumfeld sowie das Bild des Berufs in der Öffentlichkeit hervor.
19 praktikable, potenzialreiche und perspektivische Maßnahmen können helfen
Im Zuge der Untersuchungen wurden zahlreiche Maßnahmen zur Begegnung des Fahrpersonalmangels analysiert und bewertet. 19 Maßnahmen davon besitzen ein hohes Potenzial und genießen besondere Popularität. Darunter fallen politische Maßnahmen wie der Ausbau der Parkplätze, unternehmerseitige Maßnahmen wie den Einsatz eines speziellen Verantwortlichen für die Belange des Fahrpersonals sowie perspektivische Maßnahmen wie die Ausweitung der Potenziale digitaler Plattformen. Durch gezielt angesetzte Maßnahmen kann vorhandenes Personal gebunden und neues gewonnen werden.
So hilfreich die Maßnahmen auch sind, sie werden kurzfristig keine absolute Linderung bringen. Unternehmensübergreifende Optimierungsverfahren bergen zusammen mit der Steigerung der Transparenz und dem Einsatz digitaler Anwendungen kurzfristig die größten Potenziale, dem Kapazitätsengpass im Straßengüterverkehr zu begegnen. Denn mit vorhandenen digitalen Lösungen lassen sich schon jetzt vorhandene Kapazitäten besser planen, wenn ihr Potenzial entsprechend besser genutzt wird – auch aus ökonomischen und ökologischen Gründen. Demgegenüber ist vom autonomen Fahren auf mittelfristige Sicht potenziell wenig Entlastung zu erwarten.
Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer sind grundsätzlich mit ihrem Beruf zufrieden
Eine Befragung des Fahrpersonals hat gezeigt: Sobald sich für den Beruf entschieden wurde, besteht überwiegend die Überzeugung, die richtige Wahl getroffen zu haben. Da die meisten Antwortenden ihren Job über Kolleginnen und Kollegen gefunden haben, zahlen auch hier gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Berufsbilds auf die Personalgewinnung sowie die Zufriedenheit der Fahrerinnen und Fahrer ein.