Nachhaltigkeitsstandards werden wichtiger
23. November 2022Lieferkettenprobleme, steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie der zunehmende Fachkräftemangel setzen auch die Automobilzuliefererindustrie unter Druck. Zudem spielen auch für mittelständische Unternehmen Nachhaltigkeitsstandards eine zentrale Rolle, um sich vom Wettbewerb abzuheben. So bescheinigt sich die Mehrheit der Firmen inzwischen gute Kenntnisse, was die Erfüllung von Umwelt- (Environment), sozialen (Social) und Governance-Kriterien (ESG) betrifft. Als größte Hürde bei der Umsetzung werden dagegen unklare Anforderungen von Gesetzgeber oder Kunden genannt. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, die die Unternehmensberatung Roland Berger unter rund 60 mittelständischen Zulieferern in der DACH-Region durchgeführt hat.
„Die Anforderungen der großen Automobilhersteller an ihre Zulieferer steigen stetig. Vor allem im Hinblick auf ESG-Themen werden in den Ausschreibungen immer klarere Erwartungen formuliert. Vor diesem Hintergrund ist es für Zulieferer nur konsequent, hier proaktiv Differenzierungsmöglichkeiten zum Wettbewerb zu suchen. Die Entwicklung nachhaltigerer Geschäftsmodelle ist eine der bedeutendsten langfristigen Herausforderungen für mittelständische Autozulieferer.“
Thomas Schlick, Partner bei Roland Berger
Nachhaltigkeitsstandards rücken in den Fokus
Wie die Umfrage zeigt, sind mittelständische Automobilzulieferer in Bezug auf ESG-Initiativen bereits zunehmend aktiv. So hat mehr als die Hälfte der Befragten nach eigenen Angaben gute Kenntnisse in dem Bereich; bei zehn Prozent sind sie sogar sehr gut. In knapp sieben von zehn Firmen werden ESG-bezogene Aktivitäten mit hoher oder sehr hoher Priorität durch die Geschäftsführung verfolgt. Große Fortschritte bei umweltbezogenen Aktivitäten werden im Bereich der Transport-Dekarbonisierung genannt. Hier haben bereits drei Viertel der Befragten entsprechende Maßnahmen umgesetzt oder planen diese in den nächsten zwei Jahren. Nachhaltigkeitsstandards werden also zunehmend ein Thema.
Mit Blick auf den sozialen Bereich dominieren zwei Themen: Jeweils 87 Prozent der befragten Unternehmen geben an, Maßnahmen zur Förderung von Diversität sowie von Menschenrechtsstandards in der Lieferkette umzusetzen bzw. zu planen. Im Feld Governance setzen rund neun von zehn Befragten auf Aktivitäten wie ESG-Reporting oder die Lieferantenauswahl nach ESG-Kriterien.
Es ist nicht der regulatorische Druck
Was motiviert die Unternehmen, sich in Sachen ESG zu engagieren? Es ist zumindest nicht primär regulatorischer Druck. Fast die Hälfte der Unternehmen will in erster Linie das Risiko langfristiger Wettbewerbsnachteile reduzieren. „Automobilzulieferer können sich mittelfristig über ESG differenzieren. Langfristig werden diejenigen in der Kunden- und Öffentlichkeitswahrnehmung verlieren, die ihre Hausaufgaben entlang von ESG nicht gemacht haben“, so Schlick.
Der Umfrage zufolge wird aktuell etwa die Hälfte der Teilnehmer häufig bis sehr häufig mit ESG-Forderungen wie dem Ausweisen des CO2-Fußabdrucks bei Projektvergaben (60 Prozent) sowie der Einhaltung des Lieferkettengesetzes (38 %) konfrontiert. Darauf folgen das Nachweisen von Emissionszielen (32 Prozent) und ESG-Ratings (24 Prozent).
Die größten Hürden bei der Ausgestaltung und Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien sind nach Angaben von drei Viertel der Befragten unklare Anforderungen von Seiten des Gesetzgebers oder der Kunden. Außerdem werden fehlendes Know-how von Lieferanten (68 Prozent) sowie Kapazitätsengpässe bei den eigenen Beschäftigten (51 Prozent) als weitere Herausforderungen für die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards gesehen.