Retrofit: das gibt es auch in der Logistik

Retrofit: das gibt es auch in der Logistik

8. April 2025 0 Von Dr. Frauke Hewer

Den Begriff Retrofit kennen wir im automotive Aftermarket nur allzu gut. Den wenigsten dürfte bewusst sein, dass man auch ein Lager technisch modernisieren kann. Warum sich das lohnen kann, zeigt eine aktuelle Studie von Unitechnik.

Wenn man ein Lager auf den neuesten Stand bringen möchte, muss es nicht immer ein Neubau sein. Immer mehr Unternehmen aus Produktion und Logistik denken über eine Modernisierung ihrer Anlagen (Retrofit) nach, denn in vielen Fällen schafft dies die Grundlage für die Integration neuer (digitaler) Technik oder die Umsetzung veränderter Prozesse. In einer Studie hat die Unitechnik System GmbH deshalb über 100 Unternehmen aus Produktion und Logistik befragt, wie sie zum Thema Retrofit stehen. Das Ergebnis? Mehr als die Hälfte der Befragten will in den nächsten fünf Jahren in einen Retrofit investieren.

Die Grenzen älterer Logistikanlagen

Ältere Logistikanlagen stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn Geschäftsprozesse digitalisiert und die einzelnen Funktionsbereiche innerbetrieblich vernetzt werden. Das geben 38 Prozent der Studienteilnehmer als einen der Hauptgründe für den Retrofit an. Eine Modernisierung ist jedoch auch unabhängig von Industrie 4.0 aus ganz praktischen Gründen sinnvoll. So geben 26 Prozent der Befragten an, dass sich aufgrund fehlender Kompatibilität neue Hard- oder Software nicht mehr integrieren lässt. Auch ein gehäuftes Auftreten von Störungen (51 Prozent) oder Schwierigkeiten bei der Ersatzteilversorgung wegen Abkündigungen (69 Prozent) belasten die Produktivität der Anlage und waren für viele der ausschlaggebende Grund für die Modernisierung ihrer Anlage. Insgesamt gibt jeder zweite Studienteilnehmer (53 Prozent) an, dass er in den nächsten Jahren in einen Retrofit investieren möchte, während 27 Prozent bereits eine Anlage modernisiert haben – die Tendenz ist also steigend.

Bevor Unternehmen eine Überholung in Angriff nehmen, sollten sie zunächst Anforderungen definieren, um den konkreten Modernisierungsbedarf ermitteln zu lassen. Ein seriöses Angebot für einen Retrofit setzt immer eine intensive Bestandsaufnahme voraus. Ziel ist es, die Anforderungen an die Modernisierung möglichst präzise zu definieren, um Risiken bei der Umsetzung zu vermeiden. Nicht umsonst ist der mit Abstand am häufigsten genannte Vorbehalt der Studienteilnehmer eine Störung des operativen Geschäfts (82 %). Auch deshalb sollten Unternehmen bei der Auswahl eines Partners darauf achten, dass die Kernkompetenzen in den Bereichen IT, Software und Steuerungstechnik liegen. Dies ist elementar, um die Software in einer bestehenden Anlage auf einen zukunftsfähigen Stand zu bringen und sicher zu migrieren.

Retrofit im Lager: welche Ziele?

Die Studie von Unitechnik zeigt, welche Anforderungen Unternehmen an ein Modernisierungsprojekt stellen. Das mit 78 Prozent am häufigsten genannte Ziel des Retrofits ist die Verlängerung der Lebensdauer der Anlage. Das verwundert nicht, da hierin das Wesen einer jeden Modernisierung liegt.

Spannender ist der Blick auf die gewünschten Veränderungen. Hier liegen die betriebswirtschaftlichen Faktoren ganz vorn: höhere Produktivität (64 Prozent), gefolgt von den Kosteneinsparungen (37 Prozent) und dem Wunsch nach geringerem Personalbedarf (36 Prozent). Beim letztgenannten Punkt spielt auch der nach wie vor sehr präsente Fachkräftemangel eine große Rolle. Weit unten in der Prioritätenliste stehen der Studie zufolge die Themen Ergonomie (intuitive Bedienung) und Datenanalyse. Nach Einschätzung von Unitechnik Systems wird sich diese Gewichtung in den nächsten Jahren noch erheblich ändern. Die Potentiale werden häufig erst nach einem durchgeführten Retrofit deutlich. So wird gerade im Neuanlagengeschäft sehr viel Wert auf diese zukunftsgerichteten Themen gelegt.

Da die meisten Modernisierungsprojekte ihren Schwerpunkt in der Steuerungs- und Leittechnik der Anlagen haben, liegt es auf der Hand, dass die Anbieter in diesem Fachgebiet eigene Expertise haben sollten.

Anbieter: Referenzen sind entscheidend

Die Auswahl eines passenden Anbieters ist allerdings meist herausfordernder als bei einem Neuprojekt. Die Aufwandsabschätzung (als Basis für ein Angebot) bedarf eines hohen Zeit- und Kommunikationsaufwands auf beiden Seiten. Erfahrungsgemäß wollen Kunden diesen Prozess nicht mit vielen Anbietern durchlaufen. Ein wichtiger Faktor bei der Wahl des Anbieters sind daher seine Referenzen. Vor-Ort-Besuche von vergleichbaren Anlagen und der Erfahrungsaustausch mit dem Betreiber dieser Anlagen helfen dabei, ein Gefühl dafür zu bekommen, ob der Anbieter für die eigene Aufgabenstellung passt.

Die Unitechnik-Studie zeigt, dass ein Großteil der befragten Unternehmen besonderen Wert auf einen störungsfrei laufenden Betrieb während der Modernisierung (65 %) und eine qualitativ hochwertige Umsetzung (60 Prozent) legt. Bei den weichen Faktoren fällt auf, dass ein hoher Anspruch an das ausführende Personal gestellt wird. Die Kunden wünschen sich feste Ansprechpartner, die zur Stammbelegschaft des Anbieters gehören, ein gutes Prozessverständnis mitbringen und transparent kommunizieren.

Auf der anderen Seite wird ein günstiger Preis nur von knapp einem Viertel der Befragten (25 Prozent) als wichtige Anforderung an den Anbieter klassifiziert. Die geringe Gewichtung beim Hauptteil der Studienteilnehmer zeigt weiterhin, welche hohe wirtschaftliche Bedeutung der Erfolg der Modernisierungsmaßnahme für die Kunden hat.

Migrationskonzept und Testszenarien – Schlüsselfaktoren für eine reibungslose Umsetzung

Das automatisierte Lager ist in vielen Firmen die zentrale Materialflussdrehscheibe. Es ist in der Regel nicht möglich, die komplette Logistikanlage für einen längeren Zeitraum außer Betrieb zu nehmen, ohne den Betrieb des Unternehmens zu gefährden. Für einen Retrofit ist es aber zwingend erforderlich, Teile der Anlage zeitweise abzuschalten. Daraus ergeben sich zwei Handlungsoptionen: die komplette Umstellung innerhalb eines kurzen Zeitraums (z. B. verlängertes Wochenende), auch „Big Bang“ genannt, oder die Zerlegung der Umstellung in mehrere Teilprojekte.

Diesen Eingriff in die laufende Anlage und der Weg von der alten zur neuen (sanierten) Anlage beschreibt das Migrationskonzept. Dieses ist von entscheidender Bedeutung für alle Parteien, die an der Maßnahme beteiligt sind. Hier sind viele Einzelschritte zu verifizieren und minutiös zu planen.

Software und Schnittstellen sind entscheidend

Da die tatsächliche Umstellung in einem Retrofit-Projekt möglichst schnell durchgeführt werden soll, müssen die Software und die Schnittstellen zu anderen Systemen im Voraus gründlich getestet werden. Dafür wird ein digitaler Zwilling der Anlage erstellt. Diese sogenannte Emulation verhält sich genauso wie die physische Anlage vor Ort. Die Testumgebung ermöglicht dem Anbieter, den Echtbetrieb von Steuerungssoftware und Lagerverwaltungssystem zu simulieren. Dadurch können die Mitarbeiter des Kunden bereits vor der Umstellung in die Bedienung der Software eingewiesen werden.

Die Senkung der Betriebskosten und die Einsparung von Energie sind häufig genannte Ziele und Auslöser für einen Retrofit, das zeigt auch die Studie von Unitechnik. Unternehmen schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: die Verbesserung der Umweltbilanz und die Senkung der Betriebskosten. Im Rahmen der Modernisierung können dabei verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden:

  • energiesparende Antriebskonzepte,
  • Energierückspeisung und -pufferung,
  • Energiesparmodi für Schwachlastzeiten,
  • Energiemanagementsysteme und vieles mehr.

Ziel dieser Maßnahmen ist es, den Energieverbrauch zu senken und Lastspitzen zu begrenzen.

Die Ursache für einen hohen Energieverbrauch liegt oft auch in der mechanischen Auslegung. Ein Beispiel: Regalbediengeräte waren vor 30 Jahren deutlich schwerer als heute. Diese Massen müssen ständig beschleunigt und abgebremst werden. Ob ein Austausch solcher Geräte wirtschaftlich sinnvoll sein könnte, ist Teil der Bestandsaufnahme und Konzeptionsphase.

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