Wolfgang Vogl: Krise bestraft die Digital Follower
27. Mai 2020Wolfgang Vogl arbeitet an digitalen Konzepten im eCommerce. Wir haben mit ihm über die Krise und die Beschleunigung der Digitalisierung gesprochen. Er sieht Probleme auf die Teilehersteller zukommen. Sie seien zu abhängig vom Handel. Lesen Sie, warum die Digital Leader ihren Abstand auf die Follower vergrößern werden.
amt: Hat sich die Corona-Krise auf Ihr Geschäft ausgewirkt? Wenn ja: wie und warum? Wenn nein: warum nicht?
Wolfgang Vogl: Wir können eine Vergrößerung des Abstands zwischen den „Digital Leadern” und „Digital Followern” im Automotive Aftermarket feststellen. Die Kfz-Teile-Hersteller und -Händler, die bereits vor der Krise digital gut aufgestellt waren, legen auch in der Krise weiter zu: Sie nutzen die Zeit, um jetzt ihre Online-Plattformen weiterzuentwickeln und neue Geschäftsideen an den Start zu bringen. Die „Digital Follower“ bleiben auch in der Krise zögerlich mit neuen Projekten beziehungsweise kämpfen sie um den Erhalt ihres Stammgeschäftes. In der Folge werden sie weiter an Boden im Online-Geschäft verlieren und die Schere geht sicherlich auch in den nächsten Monaten weiter auseinander. Die Krise ist hier ein zusätzlicher Beschleuniger einer Entwicklung, die sich aber schon in den letzten Jahren abgezeichnet hat.
amt: Was hat sich seit März in Ihrem Unternehmen verändert?
Wolfgang Vogl: Wie viele Firmen haben auch wir relativ schnell Anfang März auf Home-Office umgestellt. Als Technologieunternehmen ist uns dies allerdings nicht schwergefallen, da wir per se schon viele Online-Plattformen und -Tools einsetzen. Aktuell sind wir dabei, einem Teil der Belegschaft die Arbeit im Büro wieder zu ermöglichen, natürlich unter Einhaltung aller notwendigen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften.
amt: Welche Veränderungen werden Ihrer Auffassung nach bleiben?
Wolfgang Vogl: Vor allem die Kfz-Teile-Hersteller haben schmerzhaft erfahren, wie abhängig sie vom Groß- und Fachhandel als Absatzkanal sind. Müssen die Werkstätten und Filialen geschlossen werden, bricht von heute auf morgen ein erheblicher Teil des Umsatzes weg. Die Hersteller werden daher vermehrt den direkten digitalen Zugang zum Kunden suchen (müssen). Die bekannten Verkaufskanalkonflikte werden zwar weiter ausgefochten, ein Zurück ist für Hersteller aber keine Option. Es gilt vielmehr, im gemeinsamen Dialog eine für alle Parteien auskömmliche Lösung zu finden. Zudem werden sich bereits laufende Prozesse im Markt beschleunigen, die Konsolidierung der Markteilnehmer wird weiter und jetzt schneller voranschreiten. Sicherlich werden in der Folge einige Unternehmen übernommen werden oder vom Markt verschwinden.
amt: Werden wir etwas persönlicher… Wenn Sie nochmal einen Branchenfokus für Ihr Unternehmen wählen würden, wäre das wieder der Automotive-Sektor?
Wolfgang Vogl: Ja, denn Mobilität wird es immer geben. Wir glauben nicht, dass in den nächsten 30 Jahren der Individualverkehr und damit das Automobil verschwinden wird. Auch wenn der Automotive-Sektor aktuell mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat, wird er sich neu erfinden. Ob Connected Car, autonomes Fahren, Car-Sharing oder Elektromobilität – alle Angebote werden über Online-Plattformen verfügen müssen. Wir denken, die Arbeit geht uns da nicht aus.
amt: Was mögen Sie besonders an dieser Branche?
Wolfgang Vogl: Der Kern unseres Teams entwickelt bereits seit 20 Jahren Lösungen für die Automotive-Branche. Viele sind auch privat autobegeistert. Die Branche war nach dem Platzen der New-Economy-Blase im Jahr 2000 eine der ersten, die im Online-Handel wieder durchgestartet ist. Als einer der ersten Anbieter einer Schnittstelle zu eBay Motors und großer Online-Shops waren wir von Anfang mit dabei. Das Besondere ist die Mischung aus bodenständigen Unternehmen auf Seiten unserer Kunden und den technologischen Herausforderungen des E-Commerce. Diese beiden Welten in Zukunft weiter zusammenzuführen, macht den besonderen Reiz aus. Trotz der hohen Dynamik kommt es auf langfristige Strategien und viel Ausdauer an, um erfolgreich im Spiel zu bleiben.
amt: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Automotive-Branche und Ihren Arbeitgeber in den nächsten Jahren?
Wolfgang Vogl: Die Digitalisierung schreitet immer schneller voran und hat durch die Krise nochmal einen Boost bekommen. Die besondere Herausforderung für uns und unsere Kunden wird sein, technologisch mitzuhalten. Dazu benötigen wir Mitarbeiter, die eine sehr hohe digitale Kompetenz mitbringen. Leider sind diese Fachkräfte schwer in ausreichender Anzahl zu finden und noch schwerer dazu zu bewegen, außerhalb der Start-up-Hochburgen Berlin oder Hamburg eine Stelle anzunehmen – dabei spreche ich noch nicht einmal von MitarbeiterInnen mit Know-how in den Bereichen künstliche Intelligenz oder Machine Learning! Dringend benötigt werden zum Beispiel auch Spezialisten, die verstanden haben, wie die Plattform-Ökonomie funktioniert und in der Lage sind, einen Online-Marktplatz erfolgreich aufzubauen. Der Automotive-Branche helfen die besten Geschäftsideen nichts, wenn sie nicht über erfahrene Profis verfügen, die diese handwerklich konsequent umsetzen können.
amt: Wie ist die Resonanz auf ihr berufliches Umfeld in Ihrer Familie und bei Ihren Freunden?
Wolfgang Vogl: Das Arbeiten in beziehungsweise für die Automobilbranche wird in unserer Autofahrer-Nation von anderen auch heute noch als spannend empfunden. Und es kommt immer gut an, wenn man zum Beispiel einen Tipp geben kann, was eine Bremsscheibe für einen Golf V wirklich kosten darf.
amt: Wenn Sie nicht in der Automotive-Branche arbeiten würden, für welche Branche würden Sie sich entscheiden und warum?
Wolfgang Vogl: Nun, heute in der Krise wird deutlich, dass neben Mobilität die Gesundheit unser höchstes Gut ist. Hier werden wir in den nächsten Jahren sehr spannende Innovationen und Geschäftsmodelle sehen. Da wären wir als Unternehmen durchaus auch gerne mit dabei.
Über Wolfgang Vogl:
Als Director Business Development bei Speed4Trade beschäftigt sich Wolfgang Vogl mit Strategien, Trends und neuen Konzepten im eCommerce. In rund 30 Jahren Erfahrung mit Softwareunternehmen hat er sich auf digitale Geschäftsmodelle und Commerce-Plattformen spezialisiert. Er schreibt regelmäßig Fachbeiträge für den Speed4Trade-Blog zu aktuellen eCommerce- und IT-Themen sowie als IDG-Autor unter anderem für die Computerwoche und ChannelPartner. Darüber hinaus engagiert er sich im Branchenverband Bitkom.
Über Speed4Trade:
Die Speed4Trade GmbH entwickelt Software für digitalen Handel. Das eCommerce-Softwarehaus ist darauf spezialisiert, Plattformen aufzubauen (z. B. Online-Shops, Marktplätze, Serviceportale) und mit vorhandenen IT-Systemen zu vernetzen. Speed4Trade begleitet primär Hersteller und Händler des Kfz-Teile- und Reifenmarktes dabei, digitale Geschäftsmodelle mit automatisierten Prozessen zu verwirklichen. Mit der Vision „Kundennähe durch digitale Lösungen“ verschafft Speed4Trade Anbietern effizient, sicher und kostenreduziert Zugang zu Kunden und Umsatz. Seit über 15 Jahren unterstützen die erfahrenen Softwarearchitekten ihre Kunden in allen Phasen ihrer Digitalisierungsprojekte, von Beratung an. Das international tätige, inhabergeführte Softwarehaus mit 100 Mitarbeitern ist im bayerischen Altenstadt an der Waldnaab ansässig.