Elektroautos als Staubfänger
10. Juli 2024Der Umstieg auf Elektromobilität schreitet voran, wenn auch in verhaltenem Tempo. Nach dem Ende der Kaufprämie und angesichts einer gesunkenen Nachfrage gibt es teils große Rabatte auf Elektroautos, so der ADAC. Die Entwicklung auf dem E-Auto-Markt nach dem Ende der staatlichen Umweltprämie bleibt dynamisch. Am Anfang boten zahlreiche Hersteller Übernahme-Garantien für die entfallene staatliche Förderung. Nun locken mehrere Marken mit noch deutlich höheren Nachlässen oder haben generell die Listenpreise gesenkt, macht der Automobilverband deutlich. Das färbt auch auf den Gebrauchtwagensektor ab.
Denn wer sich zurzeit ein gebrauchtes Auto zulegen möchte, kann sich über die aktuelle Marktentwicklung freuen. Weil die Preise für Gebrauchtwagen deutlich sinken, wie die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) jetzt ermittelte. Insbesondere bei Elektroautos verzeichneten die Marktbeobachter einen drastischen Absturz. Doch der aktuellen Auswertung zufolge geben auch bei Verbrennern die sogenannten Restwerte nach. So bezeichnen Fachleute die Preisforderungen, die vom ursprünglichen Listenneupreis übrig bleiben.
„Der E-Auto-Gebrauchtmarkt in Deutschland ist tot“
Mit diesen deutlichen Worten zitierte die „Tagesschau“ jüngst eine Gebrauchtwagenverkäuferin, die stellvertretend den Frust ihrer Branche E-Automobile betreffend auf den Punkt brachte. Denn die Nachfrage nach gebrauchten Stromern tendiert demnach derzeit gegen Null. Niemand will Elektrofahrzeuge aus zweiter, und schon gar nicht aus dritter Hand haben, sie sind Ladenhüter, stehen auf den Höfen der Händler wie „Staubfänger“. Woran liegt das?
Nach Auskunft von Marktkennern gibt es für diese Entwicklung nicht allein einen entscheidenden, sondern gleich mehrere ausschlaggebende Gründe. Da sind zum einen die sogenannten Innovationssprünge bei Elektroautos. Tatsächlich sind gerade bei diesen Fahrzeugen die Fortschritte, die die Ingenieure insbesondere hinsichtlich der Reichweite der mit Strom angetriebenen Wagen in kurzen Zeiträumen erzielen, leicht nachzuverfolgen.
Wie positiv sich die Reichweiten von Elektroautos in den zurückliegenden letzten Jahren entwickelten, zeigen die Ergebnisse der sogenannten Ecotests des ADAC, die die Experten des Automobilclubs regelmäßig mit E-Mobilen durchführen. Danach kamen 2010 alle E-Fahrzeuge auf eine Durchschnittsreichweite von wenig alltagstauglichen 123 Kilometern. 2023 waren es bereits 393. Und die Spitzenreiter der aktuellen Ecotests weisen alle Reichweiten von mehr als 500 Kilometern auf, die beiden „Topstars“ sogar von über 600 Kilometern. Wer soll sich angesichts solcher Fortschritte noch ernsthaft für einen alten Stromer interessieren?
Innovationssprünge bei Elektroautos haben auch ihren Preis
Möglich wurden diese Entwicklungssprünge dank kontinuierlicher Innovationen in der Batterietechnologie, immer effizienterer Motoren und aerodynamischerer Fahrzeugdesigns, wie Fachleute erläutern. Allerdings haben diese Fortschritte auch ihren Preis. Zwar führt ein wachsendes Angebot an Elektroautos, das nicht zuletzt vielen neuen E-Modellen aus China geschuldet ist, die hierzulande auf den Markt drängen, bereits zu Überkapazitäten bei verschiedenen Herstellern und damit letztlich zu günstigeren Preisen am Markt. Doch nach wie vor muss man sich ein Elektroauto erst einmal leisten können, befindet auch der ADAC. Denn die Kaufpreise von neuen E-Autos bewegen sich weiterhin auf einem recht hohen Niveau.
Da sollte man meinen, dass Verbraucher, die an einem E-Auto interessiert sind, sich dem Gebrauchtwagenmarkt zuwenden. Doch das ist wohl nicht der Fall, wie aus der Branche zu hören ist. Denn die Vorbehalte gegen Stromer sind unter deutschen Autofahrern offenbar immer noch weit verbreitet. So sollen sich laut einer aktuellen Untersuchung des Marktbeobachters DAT lediglich 13 Prozent der Gebrauchtwagenkäufer vorstellen können, auf ein E-Auto umzusteigen. Und in einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) gaben im April nur 17 Prozent der Befragten an, die Anschaffung eines E-Autos in Erwägung zu ziehen.
Dabei handele es sich um einen neuen Tiefstwert, kommentierte acatech die sinkende Bereitschaft zum Kauf eines E-Autos. Zum Vergleich: Bei der ersten Ausgabe des Mobilitätsmonitors von acatech im Jahr 2020 lag dieser Anteil noch bei 24 Prozent. Stabil sind dagegen die Vorbehalte gegenüber der E-Mobilität: Wie schon 2022 halten immer noch 60 Prozent der Befragten die Reichweite von E-Autos für zu gering. Und ein gleich hoher Prozentsatz stellt damals wie heute in Frage, ob Elektroautos wirklich umweltfreundlicher sind.
Preise für gebrauchte Elektroautos fallen weiter
Diese Skepsis gilt nach Einschätzung von Branchenkennern mindestens gleichermaßen für gebrauchte E-Fahrzeuge. Wobei diesen bei möglichen Interessenten noch der vermutete Makel anhaftet, es könne sich um veraltete Technik handeln. Hinzu kommt vielfach eine ausgeprägte Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung des Restwertes von gebrauchten E-Autos.
„Wir sehen, dass der Zuspruch zur Elektromobilität im Vergleich zum Vorjahr größer geworden ist. Aber Elektromobilität polarisiert nach wie vor. Der Endverbraucher ist hin- und hergerissen und es fehlt ihm oftmals das nötige Wissen und damit auch das Vertrauen in die Technologie. Hier sind Handel und Hersteller mehr denn je gefragt“, erklären Uta Heller und Dr. Martin Endlein, die Autoren des DAT Reports 2024.
Und so geben die Preise für Gebrauchtwagen bei Elektroautos besonders deutlich nach, wie die aktuelle DAT-Auswertung zeigt. Danach lagen die Händlerverkaufswerte für typische dreijährige Elektroautos im April dieses Jahres um 18 Prozent unter denen des Vorjahreszeitraums. Auch gebrauchte Benziner und Diesel-Fahrzeuge sind demnach wieder billiger zu haben als noch vor einem Jahr. Allerdings fällt hier das Minus mit sieben sowie fünf Prozent erheblich weniger drastisch aus als bei den Stromern. Dennoch bevölkern Letztere weiterhin ausgiebig die Höfe der Händler. Die setzen daraufhin zwar ihre Forderungen weiter herunter, doch einen Boom bei gebrauchten Elektroautos erwarten Marktexperten trotz der niedrigeren Restwerte eher nicht, wie die DAT-Studie ergab.