Autofahrer schätzen Mobilitätskosten falsch ein
10. Juni 2021Viele Autobesitzer schätzen die Kosten ihres Fahrzeugs geringer ein, als sie wirklich sind. Wissenschaftler des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung sowie der Universität Mannheim und der US-Universität Yale haben 6000 deutsche Haushalte mit eigenem Auto befragt. Das Ergebnis: Pkw-Eigner unterschätzen die Mobilitätskosten im Durchschnitt um mehr als 50 Prozent. Die tatsächlichen monatlichen Ausgaben für Abnutzung, Steuer, Versicherung und Werkstattbesuche eines Autos liegen im Durchschnitt bei rund 425 Euro. Die Autobesitzer*innen schätzten die Kosten im Schnitt auf 204 Euro.
Mobilitätskosten müssen bezahlbar bleiben
Deshalb sollen die Kosten für Mobilität insgesamt sinken. Diese Anforderungen an Mobilitätskonzepte nennen mehr als die Hälfte aller Befragten einer aktuellen Mobilitätsstudie der HUK-COBURG als wichtigste Ziele für die Zukunft. Im Februar dieses Jahres, also ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie, wurden mehr als 4.000 Personen ab 16 Jahren repräsentativ nach Alter und Geschlecht befragt. Dabei stand die Frage im Vordergrund, ob Mobilitätskonzepte für die Zukunft, die vor allem ein Zurückdrängen des Autos beinhalten, nach den Erfahrungen der Corona-Zeit überhaupt noch in die richtige Richtung zielen. Daran lassen die Ergebnisse dieser Untersuchung erhebliche Zweifel aufkommen.
Demnach legen die Deutschen deutlich mehr Wert auf niedrige Mobilitätskosten als auf CO2-Neutralität oder mehr Verkehrssicherheit. Die beiden letztgenannten Wünsche folgen im Ranking der Bevölkerung erst auf den Plätzen drei und vier. Wenn jetzt, nach den Corona-Erfahrungen, die Menschen endlich sinkende Kosten für ihre Mobilität einforderten, müsse sich dies auch in Konzepten für die Zukunft widerspiegeln, fordert HUK-COBURG-Vorstand Dr. Jörg Rheinländer.
Corona verändert die Auswahl von Verkehrsmitteln
Denn ganz offensichtlich haben die während der Corona-Pandemie gesammelten Erfahrungen die Vorlieben der Deutschen in Bezug auf die von ihnen bevorzugten Verkehrsmittel beeinflusst. So berichtet in der Befragung mehr als jeder vierte Teilnehmer, dass sich seine Einstellung bei der Auswahl von Verkehrsmitteln verändert habe. In den Stadtstaaten wie Berlin, Bremen und Hamburg trifft das sogar im Schnitt auf jeden Dritten zu. Diese Befragten bejahen eindeutig die Aussage: Ich hätte vor der Corona-Erfahrung nicht erwartet, dass ein Auto für mich einen solchen Wert als Verkehrsmittel einmal haben könnte.
Viele wollen das Auto jetzt wieder öfter nutzen
Sehr häufig geben die Befragten auch an, von ihrer Absicht aus der Vor-Corona-Zeit, das Auto weniger zu nutzen, nun Abstand zu nehmen. Diese Aussage sei bundesweit am häufigsten in Bremen zu hören, gefolgt von Berlin, berichten die Verfasser der Studie. Der Stimmungswechsel ist demnach augenscheinlich auch dem Eindruck geschuldet, dass die Hygiene im eigenen Auto bzw. im Auto generell in der Regel besser ist als in Bus oder Bahn. Diese Wahrnehmung hat sich während der Pandemie stärker durchgesetzt als zuvor und trägt nun zu einer Renaissance des Autos gegenüber Bus und Bahn bei. Dies belegen auch die Aussagen der für die HUK-Studie befragten Frauen: Für sie zählt heute bei der Auswahl eines Verkehrsmittels eine gute Hygiene-Situation schon mehr als doppelt so viel wie etwa die CO2-Neutralität der Fahrt.
Welche Fortbewegungsmittel wollen die Bundesbürger heute nutzen?
Darauf geben 73 Prozent der für die Studie Befragten eine klare Antwort: das Auto bzw. ein E-Auto. Auch auf die Frage nach dem idealen Fortbewegungsmittel der Zukunft nennen mit 69 Prozent ähnlich viele Studienteilnehmer das Automobil. Dagegen bringt es die Bahn sowohl aktuell als auch für die Zukunft lediglich auf rund 16 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. Und Busse finden gleichbleibend nur bei 10 Prozent der Befragten Anklang, und zwar ganz unabhängig von den Mobilitätskosten.
Diese Zahlen deuten auf einen deutlichen Trend zum E-Auto hin und tatsächlich kommt laut der aktuellen HUK-COBURG-Studie schon heute für fast jeden sechsten Deutschen „grundsätzlich beim Autokauf nur noch ein E-Auto infrage“. In Großstädten wie Hamburg und Berlin tendiert demnach bereits jeder Fünfte zum elektrisch angetriebenen Kraftfahrzeug. Insgesamt könne kein anderes Fortbewegungsmittel einen solch klaren Zuwachs bei der künftigen Akzeptanz in der Gesamtbevölkerung vorweisen wie das E-Auto, stellen die Autoren der Studie fest.
Elektroauto kann zum Game-Changer in der Mobilitätsdiskussion werden
Daraus folgert HUK-COBURG-Vorstand Dr. Jörg Rheinländer: „Das Elektroauto kann somit zum Game-Changer in der Mobilitätsdiskussion werden. Denn es schafft die Verbindung zwischen der unverzichtbaren Rolle des Autos gerade außerhalb der Städte und mehr Umweltschutz.“ Bei Zukunftskonzepten für Mobilität sollte das daher stärker berücksichtigt werden, betont Dr. Rheinländer.
Entsprechend geben in der Mobilitätsstudie sieben von zehn Befragten an, ein Auto im Haushalt sei für sie aus beruflichen oder privaten Gründen unverzichtbar. Allerdings macht die Untersuchung ebenfalls ein gewisses Spannungsverhältnis deutlich: Denn Bürger, die außerhalb von Großstädten ab 500.000 Einwohnern leben, sehen das E-Auto heute schon doppelt so häufig als ideales Fortbewegungsmittel an wie Befragte in den Großstädten. Und in ihren Augen kann sich die Position des E-Autos als ideales Verkehrsmittel in den nächsten fünf Jahren sogar nochmals verdoppeln.
Können die Deutschen ihre Mobilitätskosten auch in Zukunft bezahlen?
Als größte Gefahr künftiger Konzepte befürchtet laut der aktuellen HUK-COBURG-Studie nahezu jeder zweite Deutsche „steigende Kosten für Mobilität“. Gemessen daran treibt die Befürchtung, der Umweltschutz käme dabei zu kurz, mit nur 27 Prozent der Nennungen nicht einmal jeden dritten Befragten um. Dazu weist HUK-COBURG-Vorstand Dr. Rheinländer darauf hin, dass die Mobilitätskosten, von der Bahn über Kraftstoff bis hin zum öffentlichen Nahverkehr, in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen seien. „Als marktführender Kfz-Versicherer beobachten wir das ebenfalls bei der Höhe von Kfz-Schadenkosten“, erklärt Dr. Rheinländer. Daher sollte sich der Wunsch der Bundesbürger nach sinkenden Kosten für ihre Mobilität nach seiner Ansicht endlich auch in Konzepten für die Zukunft widerspiegeln.
Somit seien ein Umdenken in der Mobilitätsdebatte und deren Öffnung gefordert, fassen die Verfasser der Studie die Auswertung ihrer repräsentativen Befragung für die Mobilitätsstudie 2021 zusammen. Zumal rund ein Viertel der Bundesbürger darin „eine Verteufelung des Autos“ moniert, die ihrer Meinung nach „nicht gerechtfertigt ist“. Und eine deutliche Mehrheit von 45 Prozent erwartet demnach, dass die Bedeutung des Autos auch in Zukunft nicht abnehmen wird.
„Die Studienergebnisse zeigen, dass die Debatten um die Zukunft der Mobilität und insbesondere des Autofahrens innovativer und mit weniger Scheuklappen geführt werden müssen“, resümiert Dr. Rheinländer. Darauf deutet auch ein weiteres Studienergebnis hin: So lehnen es mehr Deutsche ab, sich in ein autonom fahrendes Auto zu setzen, als etwa in einen Hyperloop oder sogar in ein Flugtaxi.