Autofahrer suchen online nach günstigeren Reparaturlösungen

Autofahrer suchen online nach günstigeren Reparaturlösungen

11. März 2025 0 Von Dr. Frauke Hewer

Ersatzteile und Zubehör werden an Autofahrer B2C) zunehmend online verkauft. Auch wenn Werkstätten dies nicht gefällt, der Trend ist da. Ein Experte erläutert die Hintergründe.

amt: Mich würde interessieren, wie genau die Entwicklung beim Online B2C Verkauf von Kfz-Ersatzteilen aussieht. Wie hat sich dieser Markt in den letzten Jahren entwickelt und welche Faktoren treiben das Wachstum an?

Albert Waas: Zunächst schätzen wir, dass es im gesamthaften IAM ein stetiges Wachstum von 1.4 Prozent auch über die nächsten zehn Jahre geben wird. Getrieben wird dies sowohl vom B2B als auch dem B2C Segment. Konkret sehen wir, dass B2C leicht schneller wächst von insgesamt ~ € 20 Milliarden in 2025 auf ~ € 25 Milliarden in 2035. Das B2B Segment bleibt aber das deutlich Größere und wächst von ~ € 82 Mrd. (2025) auf € 92 Mrd. im Jahr 2035.

B2C Ersatzteilhandel wächst

Wenn wir hier nun ausschliesslich auf B2C schauen, sehen wir ein dynamisches Wachstum des eCommerce Anteils von 32 Prozent (~ € 6 Mrd.) auf 68 Prozent (€ 17 Mrd.) Wir unterscheiden das B2C Segment zusätzlich in “DIY” (Do-it-yourself – Also der selbständige Einbau von Teilen) und “IIFM” (Install-it-for-me – Der Kauf von Teilen die dann durch eine Werkstatt eingebaut werden). DIY hat aktuell noch einen höheren Anteil an stationärem Handel, während IIFM bereits jetzt einen höheren E-Commerce Anteil hat.

amt: Woher kommen diese Trends?

Waas: Eine wichtige Gesamtentwicklung ist der stetige Anstieg von Reparaturkosten im spezifischen und Mobilitätskosten im Allgemeinen. Aufgrund dieses Trends sind die Verbraucher preissensitiver und suchen online günstigere Lösungen. Gleichzeitig spielt es auch eine Rolle, dass verbesserte technische Hilfestellungen wie Online-Tutorials und –Videos viele Leute ermutigen, mehr online Käufe zu tätigen und die Teile dann einzubauen. Generell gilt aber auch, dass die Digitalisierung und das wachsende Angebot im Markt eine Rolle spielen. Ebay und Amazon haben hier in der Vergangenheit bereits große Marktanteile gehabt, gleichzeitig beobachten wir nun, dass die spezialisierten Online-Plattformen wie AUTODOC, Kfzteile24 und Oscaro diesen Wandel maßgeblich vorantreiben.

Welche Teile gehen online?

amt: Haben Sie Einblicke darin, welche Teile online verkauft werden? Wie ist in diesem Zusammenhang ‚Ersatzteil‘ definiert?

Waas: ‚Ersatzteile‘ umfassen in Bezug auf eCommerce vor allem auch Zubehör wie Scheibenwischer und Verbrauchsprodukte wie Öl, denn dort sehen wir eCommerce mit einer höheren Penetration. Klassische Verschleißteile wie Bremsbeläge, Filter und Reifen, oder komplexere Reparaturteile werden jedoch weiterhin stärker über Werkstätten und lokal bezogen werden. Wenn wir auf IIFM separat schauen, sehen wir auch ein paar ähnliche Trends: So werden Öle sehr gerne separat gekauft und dann den Werkstätten mitgegeben, um Kosten zu sparen – ein klarer Fall für eCommerce im Segment IIFM.

amt: Damit einher geht die Frage des DIY-Marktes, schließlich sind die modernen Autos wesentlich schwieriger für Laien zu reparieren als ältere Modelle. Haben Sie einen Überblick darüber, welche Reparaturen hier durchgeführt werden? Sind es überhaupt Reparaturen oder eher Nachrüstungen?

DIY-Markt wächst leicht

Waas: Insgesamt wächst der DIY-Markt leicht auf 15 Prozent des IAM, trotz der zunehmenden Fahrzeugkomplexität. Die meisten DIY-Käufe betreffen Wartungs- und Verschleißteile, die keine spezialisierten Werkzeuge oder Diagnosesysteme erfordern. Hier helfen auch Online-Guides und AI, welche die Reparaturen besser erklären und zugänglicher machen. Zu dieser Kategorie gehören insbesondere Ölwechsel, Luft- und Innenraumfilterwechsel sowie der Austausch von Batterien und Scheibenwischern. Neben Reparaturen sind Nachrüstungen, insbesondere im Bereich Elektronik (z. B. Dashcams, Einparkhilfen) auch ein wachsendes Segment.

Im Gegenteil dazu bleiben hochkomplexe Reparaturen wie Kupplungstausch oder Fahrwerksarbeiten hingegen größtenteils Werkstätten vorbehalten. Bei neueren Fahrzeugen ist der Anteil solcher Teile und vor allem komplexer Elektronik, wie Sie bereits sagen, höher. Allerdings ist der Anteil dieser Fahrzeuge am Gesamtfahrzeugpark noch relativ gering und wir beobachten, dass Fahrzeuge länger genutzt werden, so dass ein solcher Effekt sich noch verzögert.

  • b2c wächst online
  • b2b bleibt stark
  • Warum DiY wächst

amt: Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung des Online B2C Marktes und des DIY-Segments ein? Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Händler, Werkstätten und Kunden?

Waas: Die Entwicklung des Online B2C Geschäfts im Automotive-Aftermarket wird weiterhin stark von drei Faktoren beeinflusst: Digitalisierung, Preisbewusstsein und einfache Verfügbarkeit. Zwischen 2025 und 2030 erwarten wir ein jährliches Wachstum des E-Commerce Segments innerhalb B2C – also ohne den größeren B2B Teil – von 10 Prozent, das sich bis 2035 auf etwa 6 Prozent verlangsamt, da der Markt eine höhere Sättigung erreicht. Insbesondere in Südeuropa, wo der Online-Anteil noch niedriger ist (Italien: 23 Prozent im Jahr 2024), erwarten wir überdurchschnittliche Wachstumsraten.

Hybride Geschäftsmodelle entstehen

Wir beobachten zwei zusätzliche relevante Entwicklungen: Erstens, wird die zunehmende Verknüpfung von Online-Kanälen mit Werkstatt-Dienstleistungen den Markt weiter verändern und neue hybride Geschäftsmodelle schaffen. Händler profitieren von größerem Marktzugang, müssen sich aber gegen wachsende Konkurrenz behaupten während Werkstätten auch digital Kunden gewinnen müssen. Zweitens, sehen wir ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Aftermarket (im Sinne von klassischen Teilen) und Accessories und Lifestyle (Auto-nahe Produkte wie Camping Ausrüstung oder Technologie). Dies bietet eine Chance für Händler im Aftermarket, sich breiter aufzustellen und mehr Produkte anzubieten, aber auch das Risiko, dass Kunden aus dem Lifestyle-Segment bei ihren gewohnten Plattformen bleiben.

Für den Kunden sind diese Entwicklungen jedoch größtenteils positiv. Die laufenden Preissteigerungen werden sich wohl fortsetzen, aber es gibt mehr Angebote, größere Preis-Transparenz und digitale Zugangsmöglichkeiten.

Zur Person: Albert Waas, Managing Director and Partner, BCG München

Dr. Albert Waas, BC Group

Dr. Albert Waas leitet den Automobil- und Mobilitätssektor der Boston Consulting Group in Europa, dem Nahen Osten, Südamerika und Afrika.

Im Laufe seiner Karriere hat Waas mit einer Vielzahl von Kunden zusammengearbeitet, darunter europäische und internationale Automobilhersteller (OEMs), Zulieferer, Akteure des Aftermarkets, Importeure, Händler und Mobilitätsanbieter entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Seine Expertise umfasst ganzheitliche Transformationen, Strategieentwicklung, Go-to-Market-Strategien, Restrukturierungen, Unternehmensaufbau und Skalierung, Kostenprogramme, digitale Transformationsinitiativen, Nachhaltigkeitsagenden und Due-Diligence-Prüfungen

Bildunterschrift: ZF schult Kfz-Mechaniker im Umgang mit Elektromobilität in Theorie und Praxis zu Hochvollt-Experten. (Foto: GDV)

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