Ford und Hermes wollen die letzte Meile fahrerlos machen
22. Juni 2021Dass Pakete vor unsere Haustür geliefert werden, ist nichts Neues. Ford will jetzt gemeinsam mit Paketzusteller Hermes die letzte Meile auf den neuesten Stand bringen: fahrerlose Fahrzeuge sollen die Pakete an Ort und Stelle bringen. Dafür startet jetzt ein Pilotprojekt.
Selbstfahrende Transporter für die sogenannte „letzte Meile“ sollen Ersparnis bringen. Jetzt startet ein zweiwöchiger Praxistest in London. Er ist Teil des neuen Forschungsprogramms von Ford zu autonomen Fahrzeugen und ihren Potenzialen im gewerblichen Einsatz. Hermes beteiligt sich ebenfalls an diesem Pilotversuch.
Letzte Meile: scheinbar fahrerlos
Mit einem umgebauten Ford Transit-Kastenwagen wollen beide Partner verstehen, wie sich andere Verkehrsteilnehmer gegenüber einem scheinbar fahrerlosen Transporter verhalten. Allerdings lenkt weiterhin ein Mensch dieses leichte Nutzfahrzeug, weil bisher die europäische Gesetzeslage momentan noch gar nichts anders zulässt. Das Zustellfahrzeug ist aber mit allen typischen Sensoren eines vollautonomen Autos ausgestattet und erscheint zunächst völlig unbesetzt. Der Fahrer bleibt für Außenstehende unsichtbar.
Im Prinzip ist dieser Ford Transit nichts anderes als ein rollendes Depot für menschliche Auslieferer. Sie holen die auszuliefernden Pakete mit einem speziellen Code auf ihrem Smartphone ab und können dann die Pakete zu Fuß zustellen. Und das sieht dann so aus:
„In unserem Vorhaben, autonome Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen, konzentrieren wir uns nicht nur auf die Technologie – wir halten es für wichtig, auch die Geschäftsmodelle unserer Kunden zu stärken. Um zu verstehen, in welchen Bereichen sie sich anpassen müssen, gibt es keinen besseren Weg, als bestimmte Prozesse in der Realität auszuprobieren.“
Richard Balch, Direktor Autonome Fahrzeuge und Mobilität von Ford Europa
Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen testen
Ziel des Versuchs ist es, neue Möglichkeiten und Modelle für den autonomen Fahrzeugbetrieb auf der letzten Meile zu identifizieren. Dabei möchte Ford insbesondere Erkenntnisse darüber gewinnen, wie bestehende Prozesse und menschliche Interaktionen in Verbindung mit automatisierten Fahrzeugen funktionieren. Lieferfahrten bilden sich daher als ideales Testgebiet an.
Der Gedanke dahinter: In der Logistik steuert der Fahrer nicht bloß einen Lkw oder Transporter – er ist auch bei vielen weiteren Aufgaben gefragt. Das Sortieren und Verladen von Waren kann ebenso dazugehören wie die persönliche Übergabe von Paketen an den Empfänger oder das erneute Einladen, falls dieser nicht anzutreffen war.
Der Fahrer ist unsichtbar
Im Gegensatz zu diesen üblichen Rollenbildern verhält sich der „unsichtbare“ Fahrer im laufenden Praxisversuch von Ford und Hermes völlig passiv. Das Ausliefern übernehmen Kuriere zu Fuß: Sie können das Lieferfahrzeug über eine von Hermes entwickelte Smartphone-App anfordern und stoppen. Sobald der Transporter sicher parkt, entriegeln sie per Fernzugriff die Tür zum Laderaum. Dort leiten Sprachhinweise und Monitore sie zu dem für sie vorgesehenen Paketfach. Das Verständnis und die Gestaltung der Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug eröffnen die Möglichkeit, dass Geschäftsprozesse auch ohne die Anwesenheit eines Fahrers sicher ablaufen können.
Das Forschungsprojekt von Ford und Hermes knüpft an den Erfolg des „Letzte-Meile-Zustelltests“ von Ford in London an. Dabei nahmen Kuriere die Pakete aus einem Zustellfahrzeug entgegen und legten die letzte Etappe bis zum Adressaten zu Fuß zurück. Diese Lösung erzielte eine schnelle und effiziente Paketzustellung in der Innenstadt. Auf Basis der Ergebnisse des Praxistests können Hermes und andere Unternehmen jetzt Prozesse entwickeln, wie ihre Beschäftigten mit fahrerlosen Fahrzeugen kooperieren könnten.
Innovatives Konzept
„Wir finden die Zusammenarbeit mit Ford bei diesem Machbarkeitstest spannend. Wir wollen das Potenzial autonomer Fahrzeuge verstehen und abschätzen, ob sie langfristig eine Rolle im Zustellgeschäft spielen könnten“, so Lynsey Aston, Leiterin Produkt, Innovation und Onboarding bei Hermes. „Wir entwickeln und erforschen ständig innovative Konzepte wie dieses und freuen uns auf die Ergebnisse, die zweifellos branchenweit von Nutzen sein werden.“
Ford testet Selbstfahr-Technologien bereits in mehreren großen US-Städten. Bis 2025 wird das Unternehmen innerhalb von zehn Jahren rund sieben Milliarden US-Dollar in autonome Fahrzeuge investiert haben, davon allein fünf Milliarden in den Jahren ab 2021. Die Investitionen sind Teil der Ford Mobilitäts-Initiativen.
In Zusammenarbeit mit Argo AI, dem Technologiepartner für selbstfahrende Systeme, setzt Ford beispielsweise in sechs amerikanischen Metropolen Tag für Tag autonome Fahrzeuge ein. Im vergangenen Jahr lieferten einige von ihnen im Rahmen eines Wohltätigkeitsprojekts in Miami frische Lebensmittel an städtische Schulen.
Foto: Ford Werke