Führungskräfte haben die rosa Brille bei der Elektro-Mobilität abgelegt
31. Januar 2023Man könnte meinen, ganz, ganz bald gäbe es nur noch E-Autos. Eine aktuelle Befragung der Beratungsfirma KPMG zeigt, dass weltweit Führungskräfte weniger optimistisch sind, was die schnelle Verbreitung der Elektro-Mobilität angeht.
Sie geht ins 23. Jahr, die traditionelle Befragung automobiler Führungskräfte durch die Beratungsgesellschaft KPMG. Über 900 von ihnen, in 30 Ländern, haben die jetzt vorgestellte „Global Automotive Executive Survey“ beantwortet. Ein wichtiges Ergebnis: Die Aussichten für Elektroautos werden weit weniger rosig gesehen als noch im vergangenen Jahr.
Bewegten sich die Prognosen der Führungskräfte für den E-Auto-Anteil im Jahr 2030 im vergangenen Jahr noch zwischen 20 und 70 Prozent, so hat sich die Begeisterung deutlich abgekühlt: Jetzt liegt das Gros der Antworten zwischen 10 und 40 Prozent. Die Aussichten für die Elektro-Mobilität sind also nicht nur insgesamt viel negativer, die Spanne zwischen den Extremen hat sich auch verkleinert.
Elektro-Mobilität: viele Hindernisse
Dabei stürzen vor allem drei Märkte ab: In Indien wird die schlechte Ladeinfrastruktur als Hindernis gesehen, Brasilien setzt auf Bio-Kraftstoffe und Japan fokussiert sich auf Hybride und andere Energieträger, zum Beispiel Wasserstoff. Ein weiteres Warnsignal: Je näher die Teilnehmer der Studie sich am Kunden befinden, desto geringer ist der E-Enthusiasmus. Beispielsweise glauben in den USA die direkt beim Hersteller beschäftigten Führungskräfte, dass der Elektroanteil zu Beginn des neuen Jahrzehnts bei immerhin 30 Prozent des Marktes liegen wird. Die Händler gehen hingegen von ganzen 22 Prozent aus. Beide Zahlen sind damit weit entfernt vom kühnen 50-Prozent-Ziel, das US-Präsident Biden ausgerufen hat.
Dabei kann man den Befragten keine übermäßig kritische Haltung zur Elektro-Mobilität unterstellen: 77 Prozent von ihnen glauben, dass die Kunden eine Wartezeit von einer halben Stunde oder mehr in Kauf nehmen werden, um ihre Batterie auf 80 Prozent aufzuladen.
Materialien verzweifelt gesucht
Übrigens sind mehr als die Hälfte der Führungskräfte „sehr besorgt“ über die Verfügbarkeit von Materialien für Elektroautos. Derzeit werden viele Rohstoffe vor allem in China geschürft und verarbeitet. „Die Zahl der benötigten neuen Lithium-, Kobalt- und Nickel-Minen und Verarbeitungsstätten geht in die hunderte,“ warnt die KPMG-Studie. Immer kompliziertere Zoll- und Handelsregulierungen erschweren die Lage zusätzlich.
Autonome Fahrzeuge, in die bekanntlich viele Milliarden investiert wurden, werden inzwischen ebenfalls vorsichtiger beurteilt: „Die Führungskräfte sehen die Aussichten der Technologie weiterhin positiv, sehen aber den Einsatz-Zeitpunkt in den großen Städten weiter in der Zukunft“, so die Studie. Denn die Implementierung sei „komplexer, als man bislang gedacht hat“. Sie erfordere „Geduld und tiefe Taschen.“ (Jens Meiners, cen)
Aus eurozentrischer Sicht sieht es tatsächlich nicht so rosig aus – vor allem, weil Hersteller und Politik ihre Hausaufgaben nicht rechtzeitig gemacht haben. Im Ergebnis führt das dazu, dass chinesische Hersteller immer stärker in den europäischen Markt eindringen und hier Autos anbieten, die den Einstieg in die E-Mobilität zu bezahlbaren Preisen ermöglichen – und das zum Teil unter dem Signet traditioneller europäischer Marken. Andere (z.B. Renault) bauen in China Produktionen auf, um den dortigen Markt zu bespielen und auch in Europa konkurrenzfähig zu sein. Wäre China nicht so ein imperialistisch agierender Marktteilnehmer, wäre alles einfacher. Fazit: Mit China ist es schwierig. Aber ohne China geht es auch nicht.
Noch ein Wort zum autonomen Fahren: Assistenzsysteme sind ja eine feine Sache, aber autonomes Fahren halte ich für ein gänzlich überbewertetes Spielzeug der Tech-Industrie. Allein was die notwendige Datenvernetzung angeht, sind wir meilenweit von einer praktikablen Umsetzung in größerem Rahmen entfernt. Da bekommen wir ja eher in den kommenden Jahren eine vernünftige Abdeckung mit E-Ladepunkten hin. 😉