Ist das Auto-Abo eine clevere Wahl?
11. November 2019Im Mobilitätssektor verschärft sich der Kampf um die Kundenschnittstelle. Auto-Abonnements sind das nächste Spielfeld für Autohersteller, Mietwagenbetreiber und Start-ups. Doch sind Auto-Abos ein tragfähiges Konzept für die Mobilität der Zukunft? Eine aktuelle Umfrage von Oliver Wyman zeigt: Es existiert ein Anfangsinteresse am Auto-Abo, das von auffälliger Zahlungsbereitschaft im Hochpreissegment begleitet wird. Gerade im Premiumbereich entstehen neue Chancen für flexible Anbieter.
Auto-Abo als Teil der Mobilitätswende
Der Begriff Mobilitätswende ist derzeit in vieler Munde. Sie soll Mobilität mit weniger Verkehr ebenso ermöglichen wie eine Mobilität, die den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht wird. Die Voraussetzungen für diesen Wandel sollen die Digitalisierung sowie moderne Informations- und Kommunikationstechnologien schaffen, indem sie für eine bessere Vernetzung und problemlose bedarfsorientierte Nutzung verschiedener Verkehrsträger sorgen.
Zum Teil ist diese Mobilitätswende bereits im Gange, da sich insbesondere in städtischen Bereichen der Industrieländer die Einstellung zum Auto vielfach wandelt: Das Interesse am eigenen Pkw als Mittel zur Realisierung der persönlichen Mobilitätswünsche nimmt ab, Autofahren wird nicht mehr als positives Erlebnis empfunden. Stattdessen wächst der Wunsch nach Alternativen dazu.
Mieten? Teilen? Abonnieren?
Angebotsseitig sei die Mobilitätswende bereits da, stellt man bei Oliver Wyman jetzt in einer Analyse des Marktes der sogenannten Smart Mobility Services fest. Denn immer mehr digital gestützte Systeme für Zweiräder, Taxis, Autos und Kleinbusse drängen auf den Markt. Dabei reichen die Geschäftsideen von „Rent“ über „Share“ bis „Ride-Hailing“, also von Mieten über Teilen bis zum Mitfahren, wie die Berater berichten. Aus einer aktuellen Befragung nahmen sie aber auch die Erkenntnis mit, dass diese Angebote bei den Deutschen bisher nur geringe Akzeptanz finden und auch in Großstädten das Privatauto noch nicht ersetzen können. Vielmehr ergab die Umfrage Zurückhaltung und eine geringe Zahlungsbereitschaft bei der potenziellen Kundschaft.
Hersteller sollten mit Abo-Modellen experimentieren
Laut der Erhebung nutzen nämlich 78 Prozent der befragten rund 1.000 Bundesbürger derzeit keinen der neuen Mobilitätsdienste. Danach sind 63 Prozent der Befragungsteilnehmer auch nicht bereit, das eigene Auto vollständig durch Smart Mobility Services zu ersetzen. Selbst in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern stehen demnach 80 Prozent noch kompromisslos zum eigenen Auto. Eine belastbare Alternative zum Individualverkehr stellten die neuen Mobilitätsdienste somit heute noch nicht dar, fasst Joachim Deinlein, Partner bei Oliver Wyman, die Ergebnisse der Umfrage zusammen. „Auch in Großstädten ersetzen sie nicht das private Auto, sondern sorgen vorerst nur für einen größeren Fuhrpark – ohne spürbaren Entlastungseffekt“, so Deinlein.
„Der Markt steckt noch in den Kinderschuhen. Doch bei immer mehr Fahrzeughaltern kommt verstärkt der Gedanke auf, lieber monatlich eine Rate für ein Abo zu bezahlen und je nach Tätigkeit ein anderes Modell zu wählen, anstatt pauschal ein Auto zu unterhalten, das den Bedürfnissen der Kunden nicht immer gerecht wird.“
Joachim Deinlein, Partner bei Oliver Wyman
Das Prinzip eines Auto-Abonnements: Gegen eine monatliche Gebühr erhält der Kunde ein Fahrzeug seiner Wahl aus einem vorher definierten Pool und kann das Auto in einer vorgegebenen Häufigkeit wechseln. Nebenkosten für Versicherung und Wartung fallen nicht an, lediglich der Sprit wird selbst getragen.
Hohe Dualität bei der Zahlungsbereitschaft
Anders als Car-Sharing spricht das Abo-Modell auffällig viele Kunden mit hoher Zahlungsbereitschaft an: 31 Prozent gaben an, eine Monatsrate von über 1.000 Euro für akzeptabel zu halten, 23 Prozent davon zeigten sich mit über 1.250 Euro einverstanden. Auf der anderen Seite sind 55 Prozent aller in Deutschland befragten Konsumenten monatlich bereit, maximal 500 Euro für das Auto im Abo zu investieren, doch Deinlein betrachtet vor allem die Werte für das Premiumsegment als Ansporn: „Hersteller müssen einen Weg finden, diese Zahlungsbereitschaft auszuschöpfen.“
Gelingen kann das über eine genaue Kenntnis des Kundenbedürfnisses. Ganz oben auf der Wunschliste steht die Verfügbarkeit des Wunschautos. Für 35 Prozent der in Deutschland und 50 Prozent der in den USA befragten Verbraucher ist das der wichtigste Aspekt in der Wahl eines Auto-Abonnements. Doch der Haupt-Kundenwunsch trifft einen wunden Punkt: „Hersteller stehen vor großen Herausforderungen, Spitzenbedarfe nach gewissen Fahrzeugen vorzuhalten, zum Beispiel im Sommer genügend Cabrios und im Winter ausreichend SUVs, die dann in anderen Jahreszeiten weniger gefragt sind“, macht Deinlein deutlich und merkt an: „Je spezifischer die Fahrzeuge im Pool definiert sind, desto teurer wird der Balanceakt.“
Mietwagenfirmen beherrschen das Prinzip
Mietwagenbetreiber wie etwa Sixt mit der Sixt Flat beherrschen das Austarieren von Kapazitäten und Präferenzen bereits in großem Stil. Nun gilt es auch für Automobilmarken, ein attraktives Geschäftsmodell zu formen, das Kompromisse und Anreize enthält. „Man kann als Abo-Anbieter geschickt mit Verfügbarkeiten und Halteperioden spielen“, sagt Deinlein. „Die Kunst für die Hersteller besteht darin, das Angebot so zu schneidern, dass der Kunde zufrieden ist, aber auch die Fahrzeuge ausreichend auszulasten. Denn nur so können die Kosten beim Anbieter im angemessenen Verhältnis zum Angebot stehen.“
Schleifen lassen sollten Fahrzeughersteller das Thema nicht, denn wie immer stehen auch Start Ups wie Cluno oder Like2Drive in den Startlöchern. Auch wenn der Erfolg von Auto-Abonnements unter den Automobilherstellern stark umstritten ist, rät Deinlein zum Handeln: „Die Mobilität der Zukunft lebt vom Trial & Error-Gedanken. Die Hersteller sollten jetzt mit Abo-Modellen experimentieren, um im Wettstreit um die Mobilität von morgen nicht abgehängt zu werden.“