Michelin schließt zwei Standorte und verlagert Service-Zentrum
30. November 2023Reifenhersteller Michelin reagiert auf den Preisdruck durch Billigreifen. Das Unternehmen wird deswegen seine Standorte in Karlsruhe und Trier schließen. Außerdem wird man das Kundenkontaktzentrum für Deutschland, Österreich und die Schweiz bis Ende 2025 nach Polen verlagern. Es sind über 1.000 Mitarbeiter betroffen.
„Diese unumgängliche Entscheidung ist uns sehr schwer gefallen. Das Engagement unserer Mitarbeitenden, die innerbetrieblichen Fortschritte und die Investitionen der vergangenen Jahre in die betroffenen Aktivitäten können den starken Wettbewerbsdruck nicht länger ausgleichen. Unsere Priorität ist es jetzt, unsere Mitarbeitenden so gut wie möglich zu unterstützen und sie individuell in eine neue Zukunft zu begleiten.“
Maria Röttger, Präsidentin der Region Nordeuropa von Michelin
Michelin hat kürzlich seine 1.410 Mitarbeiter an den Produktionsstandorten Karlsruhe und Trier sowie der Lkw-Neureifen- und Halbfabrikatfertigung in Homburg darüber informiert, dass man die betroffenen industriellen Aktivitäten bis Ende 2025 schrittweise schließen wird. Michelin wird außerdem sein Kundenkontaktzentrum für Deutschland, Österreich und die Schweiz bis Ende 2025 von Karlsruhe nach Polen verlagern, wovon 122 Mitarbeitende betroffen sind.
In einer Partnerschaft mit den Sozialpartnern wird Michelin nun mit den betroffenen Mitarbeitern über ihre Zukunft sprechen und ein umfangreiches Maßnahmenpaket anbieten. Dieses Paket könnte Dienstleistungen einer Transfergesellschaft, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Überprüfung interner Beschäftigungsmöglichkeiten umfassen. Die Gespräche mit den Betriebsräten und der Gewerkschaft IGBCE über die Umsetzung der Änderungen sowie mögliche Alternativen für die Nutzung der betroffenen Standorte werden laut Unternehmensangaben fortgesetzt.
Michelin Standorte in Homburg und Bad Kreuznach nicht betroffen
Der größte europäische Produktionsstandort von Michelin für die Runderneuerung von Lkw-Reifen in Homburg und das Pkw-Reifenwerk in Bad Kreuznach sind nicht betroffen. Die Produktion an diesen Standorten wird fortgeführt. In den vergangenen Jahren hat sich laut Michelin der europäische Lkw-Reifenmarkt deutlich in Richtung importierter Budgetreifen verschoben. Zwischen 2013 und 2022 stieg der Marktanteil von Budgetreifen – hauptsächlich aus Niedriglohnländern – um elf Prozentpunkte, auf Kosten des Premium- und mittleren Preis-Segments (Quelle: Roland Berger). Diese Entwicklung führt zu einem Rückgang des Premium-Segments und somit zu einem Verlust von Marktanteilen.
Die jüngsten Krisen und deren Auswirkungen auf Energie-, Logistik- und Rohstoffpreise sowie eine hohe Inflationsrate haben die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland zusätzlich belastet. Im Juli 2023 waren die Industrie-Erdgaspreise in Deutschland mehr als doppelt so hoch wie 2015, während der Strompreis um 51 Prozent stieg (Quelle: VCI).
Krisen machen Geschäft unprofitabel
Diese Faktoren wirken sich direkt und ungünstig auf den Industriebetrieb aus, einschließlich der Exportaktivitäten der betroffenen Standorte. Bei Michelin sieht man sich mehr in der Lage unter diesen Bedingungen, wettbewerbsfähig in andere Regionen zu exportieren. Das Unternehmen verfolgt zudem die Strategie, näher an den Märkten zu produzieren. Das dient dazu, den Kundenservice mit einer robusteren, umweltfreundlicheren und effizienteren Logistikkette zu verbessern, was in einem Rückgang der Exporte resultiert.
Diese Exportstrategie sowie die Marktverlagerung hin zu preisgünstigeren Lkw-Budgetreifen und die nachteiligen Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands führen zu strukturellen Überkapazitäten und einer Unterauslastung der betroffenen Produktionsstandorte.
Mit Blick auf das Kundenkontaktzentrum führt der gestiegene Wettbewerbs- und Preisdruck zu der Notwendigkeit eines effizienteren Strukturwandels. Im Sinne der Sicherung der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit wird Michelin das Kundenkontaktzentrum bis Ende 2025 von Karlsruhe nach Polen verlagern.
Michelin prüft gemeinsam mit Partnern die Umgestaltung der Standorte, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen
Michelin fühlt sich den Gemeinden und Regionen rund um seine Standorte verbunden und wird eng mit den Sozialpartnern, der öffentlichen Hand und Unternehmen zusammenarbeiten, um gemeinsam die besten Optionen für die Zukunft der betroffenen Standorte zu prüfen. Ziel ist es, gemeinsam Projekte zu lancieren, die die Entwicklungsprioritäten der Regionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen. Die Entwicklung am ehemaligen Michelin Produktionsstandort in Hallstadt bei Bamberg zeigt, wie eine Schließung verantwortungsvoll gemeinsam mit Kooperationspartnern gelingen kann. Seit 2020 arbeiten Partner aus Unternehmen, Politik und Wissenschaft gemeinsam daran, um mit dem Cleantech Innovation Park einen Inkubator für Zukunftstechnologien entstehen zu lassen. Erste Verbundprojekte aus den Bereichen KI und Digitalisierung, Ressourceneffizienz in der Produktion sowie Clean Energy im Mobilitätsbereich sind bereits in Planung.
Michelin wird weiterhin in Deutschland präsent sein und seine anderen Produktionsstandorte weiter modernisieren
Die Michelin Gruppe fertigt weiterhin am Standort Deutschland und wird seine anderen strategischen Produktionsstandorte weiter modernisieren. Deutschland bleibt als Heimat der technologieführenden Automobilindustrie ein wichtiger Standort für die Michelin Gruppe.
Richtungsweisende Bedeutung hat das Werk Bad Kreuznach: Die dortige Pkw-Reifenproduktion nahe den deutschen Autoherstellern ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in der künftigen Marktdurchdringung der Reifengrößen 18 Zoll und größer. Zudem fertigt der Standort auch strategische High-Tech-Reifen. Die Michelin Gruppe wird auch seine größte europäische Produktion für die Runderneuerung von Lkw-Reifen in Homburg beibehalten. Der Standort wird außerdem weiterhin RFID-Chips verarbeiten. Michelin wird beide Produktionsstandorte weiter modernisieren, um sie noch kosteneffizienter und umweltfreundlicher für die Zukunft aufzustellen.
Die Michelin Gruppe wird somit sowohl wertvolle industrielle als auch kommerzielle Aktivitäten auf dem deutschen Markt beibehalten und nach der Schließung der betroffenen Bereiche mit rund 2.780 Mitarbeitenden in der Industrie, Logistik, Vertrieb, Marketing und Verwaltung in Deutschland präsent sein. Zudem ist die Michelin Gruppe mit Tochtergesellschaften wie Euromaster und Ihle mit rund 2.000 Mitarbeitenden in Deutschland präsent.