Anja Heinl: „Kompetenz ist unabhängig vom Geschlecht“
1. April 2020Werkstattausstattung ist immer noch eine Männerdomäne. Trotz allem gibt es auch hier immer mehr starke Frauen. Eine von ihnen ist Anja Heinl, die im Jahr 2014 die Geschäfte ihres Familienunternehmens gemeinsam mit ihrer Schwester Corinna Heinl übernommen hat. Wir haben mit ihr über ihre Rolle in der mittelständischen Firma gesprochen. Und aus aktuellem Anlass die Corona-Krise nicht ausgelassen.
amt: Sie sind als Frau in der Männerdomäne Werkstattausstattung unterwegs. Werden Sie immer ernst genommen?
Anja Heinl: Das ist eigentlich wie in jedem Bereich, man muss erst Mal Erfahrung aufbauen, um ernst genommen zu werden. Nachdem meine Schwester, Corinna Heinl, und ich seit über 14 Jahren in diesem Bereich tätig sind, fühlen wir uns auf jeden Fall ernst genommen in der Männerdomäne Werkstattausrüstung. Das zeigt auch meine Wahl zur zweiten Vorsitzenden im Fachbereich B2B des ASA-Verbands Ende letzten Jahres. Kompetenz ist unabhängig vom Geschlecht, Nationalität oder anderen Voraussetzung, für diese Offenheit stehen wir alle bei ATH-Heinl.
Geschäftsführerin Anja Heinl bringt auch mal Kaffee
Eine Anekdote habe ich trotzdem für Sie. Auf der Automechanika 2016 hat ein Kunde aus dem Exportbereich bei mir Kaffee bestellt und sich mit meinem Vertriebsmitarbeiter an einen Tisch gesetzt. Den beiden habe ich einen Kaffee gebracht und bei dieser Gelegenheit meine Visitenkarte überreicht. Als er diese genauer betrachtete, war er sichtlich schockiert und hat sich vielmals entschuldigt. Ich habe ihm gesagt, dass das gar kein Problem ist und ich auch gerne einen Kaffee serviere, damit der Vertriebsmitarbeiter mit ihm sprechen kann. Wir haben gelacht und danach ein tolles Gespräch aus dem sich sogar eine langfristige geschäftliche Beziehung ergab.
Eine Anmerkung noch, in der Corona-Krise sehen wir, wie wichtig Frauen in allen Berufsbereichen sind. Viele systemrelevante Berufe werden zu einem großen Teil von Frauen ausgeübt.
amt: Sie sind nicht nur eine Frau, Sie sind auch Juniorchefin in einem Familienunternehmen. Wie schwer fällt der Übergang zwischen den Generationen?
Anja Heinl: Meine Schwester Corinna Heinl und ich sind seit über 14 Jahren im Unternehmen tätig und haben hier fast alle Positionen durchlaufen. Seit 2014 sind wir Hauptgesellschafterinnen und Geschäftsführerinnen. Da wir die Entwicklung des Unternehmens seit vielen Jahren mitgestalteten, war klar, dass wir im Unternehmen Verantwortung übernehmen möchten. Also nutzten wir vor 6 Jahren die Chance, die unsere Eltern uns gaben und übernahmen das Unternehmen. Der Übergang fiel uns damals sehr leicht, da wir ein gesundes Unternehmen mit motivierten Mitarbeitern übernommen haben.
Vater als Mentor
amt: Wie organisieren Sie diesen Übergang?
Anja Heinl: Unser Übergangskonzept ist sicher besonders, ich würde es als eine Art Generationenmodell beschreiben. Wir wollten nie aufgrund der Firma auf Kinder verzichten und somit stehen wir auch in den kommenden Jahren noch vor der Aufgabe, beides unter einen Hut zu bekommen. Unsere Eltern unterstützen uns hier vor allem im Unternehmen und übernehmen Termine oder Reisen, die für uns familiär manchmal nicht machbar sind.
Wir haben großes Glück, denn wir haben mit unserem Vater einen großartigen Coach und Mentor an unserer Seite, der seine Erfahrung aus so vielen Jahren in der Branche und als Unternehmer an uns weitergibt. Unsere Mutter ist die gute Seele, die wohl jeder Betrieb braucht. Allerdings genießen auch unsere Eltern mittlerweile den Vorteil nicht mehr zu 100% verantwortlich zu sein und unternehmen gerne ausgedehnte Reisen, die natürlich nur möglich sind, wenn man sich zurücknimmt.
„Chef“ spielen kann sich keiner leisten
amt: Die Geschäftsleitung bei ATH-Heinl besteht aus derzeit vier Personen. Verderben da nicht viele Köche den Brei? Wie haben Sie sich untereinander organisiert?
Anja Heinl: ATH-Heinl hat derzeit 45 Mitarbeiter, das ist alles noch sehr überschaubar. Das gesamte Unternehmen ist sehr flach und effizient organisiert. Wir arbeiten als Familie ja schon lange zusammen und mittlerweile hat jeder seinen Bereich gefunden. In den einzelnen Bereichen arbeiten wir alle operativ mit. „Chef“ spielen kann sich hier keiner leisten, hier muss jeder Ahnung vom Geschäft haben und was zu tun ist. Auf unsere Mitarbeiter sind wir besonders stolz, wir haben hier ein unglaublich kompetentes Team in den vergangenen Jahren aufgebaut. Die meisten Entscheidungen können somit schnell und effizient von jedem Einzelnen getroffen werden.
Wir sind sogar zu fünft aus der Familie, auch mein Schwager Fabian Heinl ist seit langen bei ATH-Heinl tätig und leitet mittlerweile sehr erfolgreich unser Vertriebsteam.
Anja Heinl: gut aufgestellt in der Corona-Krise
Gerade jetzt erkennen wir den unglaublichen Vorteil, den wir bei ATH-Heinl haben. In dieser Corona-Krise laufen bei uns alle Bereiche mit Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen weiter. Das geht, weil wir alle genau wissen was zu tun ist und sich jeder auf seinen Bereich konzentrieren kann.
Entscheidungen von Unternehmern sind jetzt gefragt und es tut gut, diese abzustimmen zu können. Man könnte sagen, die Last verteilt sich gerade auf viele Schultern und somit lässt sich das gemeinsam besser bewältigen. Einzelkämpfer möchte ich gerade jetzt nicht sein und diese Erfahrung schweißt uns noch besser zusammen. Denn genau jetzt sehen wir, dass wir uns blind aufeinander verlassen können.
Anja Heinl
Was das gesamte ATH-Team derzeit leistet und wie sie hinter der Firma stehen, ist für uns ein großartiges Zeichen.
amt: Der gesamte Automobilmarkt ist im Umbruch. Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Werkstattausstattung in den nächsten zehn Jahren?
Anja Heinl: Wir sehen in den kommenden Jahren viele Herausforderungen auf die Branche zukommen. Hierzu gehören mit Sicherheit die Elektromobilität, autonomes Fahren und neue Konzepte für Autoflotten. Außerdem schreitet die Konsolidierung der Märkte weiter voran. Es entstehen in Zukunft europäische Handelsstrukturen und diese werden sich mit weniger Zulieferern effizienter aufstellen. Die Anzahl der Werkstätten wird sich in Zukunft sicherlich auch verringern und somit auch unser Markt nicht wachsen.
Corona wird uns verändern
Vor circa fünf Wochen war die Welt noch eine andere. Keiner konnte die unglaublich schnelle Veränderung vorhersehen, die wir in den vergangenen Wochen erlebt haben. Diese Krise durch Corona und was sie noch mit sich bringen wird, ist für alle schwer einzuschätzen.
Allerdings ist sicher, dass die Corona-Krise den Bereich Mobilität mittelfristig verändern wird. Die Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln, Zug- oder Flugverkehr hat Einfluss auf die Nutzung von PKWs. Die erwartete Steigerung im Onlinehandel merken wir derzeit bereits an der Nachfrage von LKW-Montier- und Wuchtmaschinen. Hier wird in Zukunft vermehrt Bedarf entstehen.
Wie sich die Investitionen in Neufahrzeuge entwickeln, wird sich auf den Independent Aftermarket und die Werkstattausrüstung auswirken. Haben wir vermehrt einen Fahrzeugbestand über drei Jahre, profitieren die freien Werkstätten mittelfristig. Eventuell hat diese Krise auch eine Auswirkung auf die Investitionen im Bereich Elektromobilität. Dies alles hängt nun davon ab, wie lange die Krise andauert und wie stark die Wirtschaft darunter leidet.
Full-Service-Konzept für die Werkstattausstattung
amt: Was ist das Besondere an Ihrem Geschäftskonzept und warum fühlen Sie sich gut für die Zukunft aufgestellt?
Anja Heinl: Unsere Kernprodukte Hebetechnik und Reifentechnik werden auch in Zukunft benötigt werden. Das Besondere an unserem Konzept ist, dass wir schon seit 2015 mit einem Full-Service-Konzept arbeiten. Wir bieten unseren Handelspartnern ein Rundum-Paket. Vor allem der technische Service, die Logistik und das Marketing wird von ATH-Heinl zentral gesteuert. Für die Handelspartner übernehmen wir als Spezialist alle Aufgaben rund um die Werkstattausrüstung.
Davon profitieren vor allem die Werkstätten, denn sie haben einen Ansprechpartner vor Ort durch den Teilefachhandel und uns als Spezialist im Hintergrund.
Neue digitale Prozesse
Im Juni 2019 haben wir unseren neuen Standort bezogen. Das Gebäude wurde genau für die Anforderungen der Werkstattausrüstung konzipiert. Alle Bereiche von Vertrieb, über technischer Service, bis hin zur Logistik können hier unglaublich viel mehr leisten. Das Gebäude hat uns ein Einsparungspotential von ca. 20-30 Prozent ermöglicht, dadurch können wir unsere sehr attraktiven Preise am Markt weiter halten.
Das, was wir physisch mit unserm Gebäude umsetzen konnten, wird nun Schritt für Schritt in digitale Prozesse übergehen. Wir arbeiten hier mit Hochdruck an neuen Lösungen und werden 2021 zu unserem 30 jährigen Firmenjubiläum neue Lösungen für unsere Handelspartner und die Werkstätten präsentieren. Somit kann ich das nur bestätigen, ATH-Heinl ist sehr gut für die Zukunft aufgestellt!
In der Krise ist Werkstattausstattung wichtiger denn je
Der Aufbau eines soliden Fundaments in den vergangenen Jahren bietet uns die dringend benötigte Grundlage, die Krise gut zu überstehen. Firmen, die bereits in den vergangenen Jahren keine positiven Zahlen vorweisen konnten, werden auch in dieser Krise nicht von Banken oder der Bundesregierung gerettet. Somit nimmt die Konsolidierung in jedem Bereich noch stärker Fahrt auf.
Unsere strategische Ausrichtung bleibt bestehen und ist derzeit wichtiger denn je. Wir werden in die Bereiche sogar verstärkt investieren und hier Ressourcen bündeln, um nach der Krise noch gezielter für unsere Kunden da zu sein.
Vor allem jetzt sind wir für alle Anliegen unserer Kunden da. Werkstätten sind derzeit systemrelevant, denn Krankenwägen, Notdienst, Speditionen, Paketdienste, Klinikpersonal, Verkäuferinnen und viele mehr, sind dringend auf Mobilität angewiesen. Deshalb werden derzeit immer noch Produkte oder Ersatzteile im Bereich Werkstattausrüstung benötigt.
Wichtig ist nun für alle, Gesundheit und gutes Durchhaltevermögen in diesen schwierigen Zeiten!