Connected Services: schnell sein, heißt die Devise!
14. September 2020Der Kampf um die Daten der Autofahrer ist schon seit längerem entfacht. Jetzt hat eine Unternehmensberatung herausgefunden, dass die Kluft zwischen Automobilherstellern und ihren digitalen Wettbewerbern bei Connected Services immer größer wird. Von Zulieferern oder dem Aftermarket ist in dieser Studie nicht die Rede.
Der zweite „Connected Vehicle Trend Radar“ von Capgemini Invent untersucht, wie die Automobilindustrie mit vernetzten Diensten rentabel werden kann. Weltweit wurden für die Studie über 3.000 Verbraucher befragt. Ein wichtiges Ergebnis: 56 Prozent der Autofahrer verfügen über connected Services im Auto, von diesen nutzen 51 Prozent sie auch häufig oder sehr häufig. Also ist etwa ein Viertel der Autofahrer schon jetzt auch unterwegs vernetzt. Weitere 29 Prozent greifen ab und zu auf vernetzte Dienste zurück.
Connected Services: Zwei Drittel mögen sie
Wichtig für die Zukunft ist aber Folgendes: Zwei Drittel der Befragten sagen, dass Connected Services den Wert eines Fahrzeugs erhöhen und außerdem das Fahrerlebnis verbessern. Es ist also wahrscheinlich, dass diese Menschen zukünftig auf vernetzte Dienste setzen werden.
Bei Capgemini zieht man daraus den folgenden Schluss. So heißt es in einer Pressemitteilung: „Eine Öffnung des Connected Services-Portfolios für Anwendungen von Drittanbietern gibt den Herstellern die Möglichkeit, ihre Pole-Position gegenüber ihren digitalen Wettbewerbern zurückzuerobern: Denn viele Nutzer greifen bereits auf Anwendungen von großen Technologieunternehmen zurück, so dass der Zugang zu diesen Anwendungen über die Benutzeroberfläche des Fahrzeugs der Schlüssel ist, sich die Schnittstelle zum Kunden und seiner Daten zu sichern.“
So könnten Fahrzeughersteller zu Lieferanten von Technologieunternehmen werden
„Die meisten Hersteller neigen dazu, die Wertschöpfung von vernetzten Diensten genauso anzugehen, wie sie Fahrzeuge produzieren. Sie erledigen die meisten Arbeiten selbst, indem sie Komponenten – und auch Services – von Zulieferern zusammenbauen, anstatt ihr Connected Car-Ökosystem für erstklassige Partner zu öffnen, die hier schon weiter sind. Doch der Verlust von Marktanteilen bei vernetzten Diensten schlägt sich in verloren gegangenen Umsätzen nieder – oder, noch gravierender, kann dazu führen, dass Hersteller zum Lieferanten für Technologieunternehmen werden.“
Dr. Marc Cäsar, Director im Bereich Automotive bei Capgemini Invent und Experte für Connected Services
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:
Connected Services sind wertvoll
Die Bedeutung von vernetzten Fahrzeugen wird in den nächsten Jahren zunehmen. Waren es im Jahr 2018 weltweit noch 119,4 Millionen, soll ihre Zahl laut „Connected Vehicle Trend Radar“ 2019 bis 2023 auf 352 Millionen steigen. Dieser Anstieg geht mit einem schnellen Wachstum des Datenaufkommens einher.
Daten sind ein hohes Gut und können monetarisiert werden. Sie unterstützen dabei, Kosten zu senken, Forschung und Entwicklung sowie Produkte und Dienstleistungen zu optimieren und Emissionen zu begrenzen. Um an der Spitze zu bleiben, müssen OEMs über ausreichend Daten verfügen. Sie benötigen im Vergleich zu ihren digitalen Wettbewerbern einen beträchtlichen Kundenstamm, derzeit sind die Nutzungsraten jedoch noch unzureichend.
Sicherheit ist Trumpf
Die Studie zeigt, dass die vernetzten Dienste der traditionellen Automobilhersteller von den Verbrauchern häufig noch nicht angenommen werden. Von den 23 untersuchten Kategorien werden sicherheitsbezogene Angebote im Auto wie intelligente Assistenzsysteme am meisten geschätzt. Den größten Wert messen die Verbraucher Diensten wie der Kollisionswarnung und Gefährdungswarnung (z.B. bei Glätte oder Straßenschäden) sowie Diebstahlerkennungssystemen/Fahrzeugfinder bei.
Die Lieferung von Einkäufen oder Paketen ins Fahrzeug (In-Car Delivery) stößt auf das geringste Interesse. In allen Kategorien ist die Zahlungsbereitschaft derzeit relativ gering: 39 Prozent der Verbraucher gaben an, dass die Dienstleistungen nützlich, aber nicht ausreichend entwickelt sind, während weitere 23 Prozent sich ihrer Vorteile nicht bewusst sind. Die traditionellen Hersteller müssen daher sicherstellen, dass sie die Verbraucher mit den von ihnen gewünschten Dienstleistungen ansprechen und auch über die Vorteile informieren. So können sie ihre vernetzten Dienste und Tools zu einem Alleinstellungsmerkmal machen.
Nachhaltigkeit wird wichtiger
Nachhaltigkeit wird beim vernetzten Fahren für die Verbraucher zu einem immer wichtigeren Aspekt. Insgesamt sind 60 Prozent der weltweit Befragten der Meinung, dass vernetzte Dienste einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben können. 56 Prozent berücksichtigen nachhaltige vernetzte Dienste bei ihrer Kauf- oder Leasing-Entscheidung und 53 Prozent würden dafür mehr bezahlen, in China sind es sogar 77 Prozent, in Europa 44 Prozent. 53 Prozent würden die Automarke wechseln, wenn eine andere Marke nachhaltige vernetzte Dienste anbietet.
Der Studie zufolge bietet die Konnektivität den traditionellen Autoherstellern umfassendes Umsatzpotenzial und spielt bei ihrer zukünftigen Positionierung im vernetzten Ökosystem eine entscheidende Rolle. Digitale Player haben bereits erkannt, dass ein Fahrzeug nur eine weitere Einheit im digitalen Ökosystem eines Verbrauchers ist. Um die Kundentreue zu erhöhen, muss das Fahrerlebnis nahtlos in das digitale Leben einer Person übergehen. Dies verändert auch die Kundenbeziehung, da sich die Hersteller nun auch nach abgeschlossenem Kauf- oder Leasingvertrag stärker auf ihre Kunden fokussieren müssen, die für sie zum wichtigsten Asset für die Zukunft werden. Diese Entwicklung erfordert von den OEMs ein schnelles Handeln, um Dienstleistungen anzubieten, die von den Kunden geschätzt und genutzt werden.
Konnektivität muss besser werden
OEMs lagern in der Regel Aktivitäten aus, die über ihre Kernkompetenzen hinausgehen und haben beim Thema vernetztes Fahrzeug bisher einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Ihre vernetzten Dienste haben zwar im Laufe der Zeit ein nahtloses Erscheinungsbild („Look & Feel“) erhalten, können häufig aber nicht mehr aktualisiert oder verändert werden, wenn das Fahrzeug erst einmal auf der Straße ist. Häufig variieren zudem die gerade verfügbaren Dienste von Modell zu Modell sehr stark, selbst innerhalb eines Angebots des gleichen Herstellers.
„In der Vergangenheit mussten sich die Autofahrer mit dem begnügen, was die Hersteller ihnen zur Verfügung gestellt haben. Dieses Monopol existiert nicht mehr. Technologieunternehmen sind mit Smartphone-Diensten und einfach in das Auto zu integrierenden Anwendungen erfolgreich in den Markt eingetreten. Um den Anschluss nicht zu verlieren, müssen sich die OEMs intensiver mit dem Thema Konnektivität auseinandersetzen – vor allem, da die Kunden anspruchsvoll sind und immer weniger bereit, vernetzte Dienste zu akzeptieren, die nicht auf dem neusten Stand sind oder die den Aufpreis nicht rechtfertigen“, stellt Marc Cäsar abschließend fest.
Zur Methode der Studie
In der zweiten Ausgabe des Connected Vehicle Trend Radar hat Capgemini Invent untersucht, was sich Verbraucher beim Thema vernetzte Dienste im Fahrzeug wünschen und wie sich Automobilhersteller (OEMs) zukünftig aufstellen müssen, um damit profitabel zu werden. Für die Studie wurden über 3.000 Verbraucher in Europa, den USA und China befragt. Eine Reihe von Experteninterviews ergänzt die Untersuchung.