Die Elektromobilität kommt – aber wie genau?
6. November 2020„Es ist keine Frage ob die Elektromobilität kommt, es ist die Frage wie genau sie kommt und in welcher Ausprägung.“ Dies ist die Kernaussage von Felix Horch, Wissenschaftler bei der Fraunhofer Gesellschaft in Bremen. Denn so pflegeleicht, ausgereift und nach einigen Anläufen auch sehr sauber moderne Verbrennungsmotoren sind, CO2 pusten sie nach der Zündung des Treibstoff-Luft-Gemischs in den Brennräumen allesamt in die Umwelt. Und damit sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen, so der Forscher.
Kann man alte Fahrzeuge zum Hybrid machen?
Neben dem grundsätzlichen Wandel bei der Konstruktion und den Besitzverhältnissen unserer Automobile untersucht Horch den Wirkungsgrad und die wirtschaftliche Relevanz der verschiedenen Antriebssysteme, nicht nur der Elektromobilität, und warnt vor der üblichen Praxis, die immer mehr um sich greift und die eine Art Abschiebung von nicht mehr gesetzes- und umweltkonformer Alt-Fahrzeugen aus Industrie in Entwicklungs- oder Schwellenländer vorsieht. Sie würden als Müllhalden für Fahrzeuge missbraucht, die bei uns vor allem aus Umweltgründen nicht mehr zugelassen werden können.
Die Fraunhofer Gesellschaft arbeitet daher an einem Konzept mit dem Namen „HANNAe“, das vorsieht, diese Automobile auf einfache Weise zu Hybridisieren, um zumindest die besonders schmutzigen Exemplare gesellschaftsfähig zu machen. Denn die betroffenen Staaten haben weder riesige Kraftwerke, die den notwendigen Strom für Elektromobilität oder zur Gewinnung von Wasserstoff für den Brennstoffzellen-Betrieb liefern könnten. Erste Ergebnisse will die Gesellschaft im kommenden Jahr vorstellen und auf Partnersuche in der Industrie gehen.
Eine Kilowattstunde speichern – für unter 100 Euro
Dabei ist der richtige Weg trotz der weitgehend anpassungsfähigen Infrastruktur bei uns ebenfalls nicht unumstritten. Zwar sind die Kosten der Fertigung der Brennstoffzelle mit etwa 32 Euro je Kilowatt ähnlich hoch wie beim Verbrennungsmotor und auch die Produktionskapazität vorhandener Betriebe ist mit 220.000 sogenannter Stacks im Jahr oder 100 am Tag fürs Erste ausreichend, die Energiebilanz sieht jedoch eher trübe aus. Bei Plugin-Hybridfahrzeugen (PHEV) oder reinen batterieelektrischen Autos (BEV) sind die Kosten für die Akkus in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Eine Kilowattstunde kostet mittlerweile unter 100 Euro. Der Wirkungsgrad ist dagegen äußerst unterschiedlich.
Die Stromer haben einen guten Wirkunsgrad
Zunächst gehen wir davon aus, dass der Strom zur Erzeugung der Batterie, des Fahrzeugs und für den Betrieb des Wagens zu 100 Prozent aus regenerativer Energie, also Wind- oder Solarkraft gewonnen wird. Ein kleiner Personenwagen verbraucht nach NEFZ etwa 11,6 kWh für 100 Kilometer Fahrstrecke. Damit liegt der Wirkungsgrad eines BEV, betrachtet von Well to Wheel, also von der Erzeugung bis zum Rad, bei 71 Prozent. Ein Elektroauto mit Brennstoffzelle (FCEV) kommt nur auf 30 Prozent und ein Wagen, dessen Verbrennungsmotor mit synthetisch hergestelltem Kraftstoff betrieben wird, erreicht 11 Prozent Wirkungsgrad. Hier hängt die Entscheidung davon ab, wie viele Wind- und Sonnenstromanlagen wir bereit sind, zu errichten. Wird der Strom aus Kohle generiert, kommt das BEV nur noch auf 28, das FCEV auf 18 Prozent. Zum Vergleich: Ein Diesel schafft bei dieser Betrachtungsweise einen Wirkungsgrad von 21 Prozent.
Auf der Autobahn helfen Oberleitungen – für Nfz
Die Brennstoffzelle ist daher nach Ansicht des Diplom-Ingenieurs Felix Horch die zweitbeste Lösung, zumindest, wenn der Zeitfaktor für Ladestopps bei Fahrten über längere Distanzen nicht berücksichtigt wird. Dass sich am Ende das durchsetzen wird, was für Hersteller und Nutzer am wirtschaftlichsten ist, haben auch die Analysten von Price Waterhouse Cooper ermittelt. Vor allem beim Güterverkehr, also dem Betrieb von Nutzfahrzeugen, steht der Kostenfaktor an oberster Stelle.
Am Beispiel der fünf Kilometer langen Versuchstrecke auf der Autobahn A5 zwischen dem Frankfurter Kreuz und Darmstadt, deren rechte Fahrspur für 14,6 Millionen Euro mit einer Oberleitung für elektrisch fahrende Lastwagen ausgestattet wurde, konnten die Kilometerkosten verifiziert werden. Der Brummi mit Stromabnehmer auf dem Dach legt einen Kilometer mit 19 Cent Energiekosten zurück, ein mit Syn-Fuel betriebener Lkw braucht dafür 70 Cent. Der Unterschied beim Wirkungsgrad macht 57 Prozent aus. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings die Kosten für die Errichtung der Infrastruktur. Der mögliche Betreiber dürfte sich diese über die Kraftfahrzeugsteuer gewiss zurückholen wollen.
Wandel nicht ohne Steuern?
Bei der gewerblichen Fahrzeugnutzung stehen ohnehin die TOC, die Total Costs of Ownership als Gesamtkosten im Blickpunkt. Ein Unternehmer wäre nicht nur schlecht beraten, sondern gewiss in absehbarer Zeitspanne auch insolvent, wenn er diesen gerade für Speditionen immens wichtigen Kostenblock unberücksichtigt ließe. So scheint die Zukunft unseres Klimas direkt abhängig von der wirtschaftlichen Effizienz der alternativen Antriebe und damit auch der Elektromobilität zu sein. Und da jeder Unternehmer vor allem profitabel wirtschaften will, braucht es weiterhin gesetzliche Regelungen wie die kommende CO2-Besteuerung, um umweltverträgliche Mobilität attraktiv zu machen.