So werden die E-Autos zum Stromspeicher für alle
21. Februar 2023Erstmals haben digital vernetzte E-Autos als Teil eines virtuellen Kraftwerks das deutsche Stromnetz stabilisiert – und das während sie normal im Alltag von Haushalten genutzt wurden. Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT konnte dabei auf die Speicherkapazität von E-Autos der Kunden eines Batterieanbieters zurückgreifen und dadurch kurzfristig im Stromnetz auftretende Frequenzschwankungen abfedern. Das Auto wird damit vom reinen Transportmittel zum Stromspeicher und damit zum aktiven und stabilisierenden Teil des Energiesystems.
Der Speicher- und Vernetzungstechnologie-Anbieter sonnen erweitert sein bisher auf Stromspeichern basierendes virtuelles Kraftwerk um E-Autos. Mit diesem neuen „Kraftwerksblock“ stehen dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT bisher ungenutzte Speicherkapazitäten von E-Autos aus vernetzten Haushalten zur Verfügung. Nach einer erfolgreichen Testphase wurde diese Technologie nun erstmals in den Alltag von Haushalten überführt.
Der virtuelle Stromspeicher aus Autobatterien
Verwendet werden dabei E-Autos mehrerer Hersteller in verschiedenen Haushalten der Kunden des Anbieters. Neben ihrer normalen Nutzung im Alltag werden die Autos nebenbei zum aktiven Teil des Stromnetzes: Erste Fahrzeuge sind im Netzgebiet von TenneT bereits in das virtuelle Kraftwerk integriert und können so genannte Primärregelleistung (FCR) erbringen. Das bedeutet, dass die Speicherkapazität der E-Auto-Batterien innerhalb von 30 Sekunden flexibel regelbar für den Ausgleich von Laständerungen und damit Frequenzschwankungen im Stromnetz zur Verfügung stehen muss. Das wird allein über einen intelligenten Ladevorgang erreicht, eine zusätzliche Abnutzung der Fahrzeugbatterien durch Entladen findet nicht statt.
Im nächsten Schritt will sonnen weitere 5.000 Haushalte mit einem Elektroauto und einem sonnenCharger für das virtuelle Kraftwerk nutzen. Gemeinsam mit den jeweiligen Stromspeichern der Haushalte entspricht das laut Anbieter einem Potenzial von rund 80 Megawatt. TenneT hat einen Primärregelleistungsbedarf von 170 Megawatt. Mit der Einbindung von Elektroautos in das virtuelle Kraftwerk stehen neben der Primärregelleistung viele weitere Anwendungen für das Stromnetz offen, welche das Zusammenspiel von Energiesystem und Transportmittel ganz neu definieren.
„Wir stehen an der Schwelle zu der Entwicklung eines Ökosystems der Erneuerbaren Energien, die sich mit dem Beginn des Internetzeitalters vergleichen lässt. Bislang isoliert agierende Assets werden miteinander vernetzt und entfalten so ihr volles Potenzial. In der nächsten Stufe der Energiewende geht es nämlich darum, dass die Energie aus Solar- oder Windstrom immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Mit der Aufnahme von Elektrofahrzeugen in unser virtuelles Kraftwerk machen wir einen großen Schritt, indem wir das Laden von Elektroautos nutzen, um gleichzeitig Angebot und Nachfrage im Stromnetz auszugleichen und es so stabilisieren. Damit können wir das enorme Speicherpotenzial von E-Autos bereits heute nutzen und dazu beitragen, dass wir fossile Kraftwerke früher abschalten können“.
Oliver Koch, CEO von sonnen
Die nächste Stufe der Energiewende?
Tim Meyerjürgens, COO von TenneT, blickt auf das Stromnetz der Zukunft: „Für die nachhaltige und sichere Stromversorgung von morgen ist es wichtig, dass die Energiewende weitergedacht wird. Die Integration von E-Autos in das Stromnetz ist ein wichtiger Meilenstein, um auf die Herausforderungen der künftigen Stromverfügbarkeit reagieren zu können. Je mehr volatile, stark schwankende Wind- und Sonnenenergie in das Stromnetz einspeisen, umso elementarer ist die Schaffung neuer Speichermöglichkeiten zur Flexibilisierung und Stabilisierung des Gesamtsystems. Was heute erste E-Autos und Primärregelleistung sind, sind bald Millionen E-Autos und zahlreiche weitere Systemdienstleistungen für uns Netzbetreiber. Wir freuen uns, zusammen mit sonnen dieses enorme Potential an Speicherkapazitäten auf den Weg zu bringen.“
Der Hochlauf der Elektromobilität stellt bisher die Stabilität der Stromnetze vor eine Herausforderung, wenn zum Beispiel viele Autos in einem Gebiet gleichzeitig laden. Durch die erfolgreiche Integration der E-Autos aus der sonnenCommunity in das virtuelle Kraftwerk geht sonnen voran und wandelt ein Problem zu einer Lösung.
Dabei wird der bisherige Ladevorgang neu gestaltet: Im ersten Schritt verteilt sonnen die Ladevorgänge aller angeschlossenen Elektroautos gleichmäßig über einen längeren Zeitraum und vermeidet so Lastspitzen zu einer bestimmten Tageszeit. Grundlage hierfür sind die Vorgaben der Kundinnen und Kunden, wann sie ihr Auto wieder benötigen. Im zweiten Schritt werden dann Frequenzabweichungen des Stromnetzes ausgeglichen, die Vorgaben dafür kommen von TenneT. Das so gesteuerte Ladeverhalten stabilisiert das Stromnetz gleich auf zwei Ebenen, und das ohne Einschränkungen für die Nutzung der Fahrzeuge.
Mehr Stromspeicher verzweifelt gesucht
Gleichzeitig benötigt eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland weitere Möglichkeiten, Energie aus sauberen Energiequellen wie Wind- oder Sonnenenergie in die Stromspeicher zu leiten. E-Autos haben große Batterien und sind schon heute ideal, um überschüssige Strommengen schnell und sicher aufzunehmen.
Als Teil des virtuellen Kraftwerks von sonnen können die E-Autos zum Beispiel überschüssigen Windstrom in der Nacht aufnehmen, sodass sie tagsüber nicht mit Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken beladen werden müssen. In Summe entsteht ein neuer, mobiler Kraftwerksblock, der die Speicherkapazität für Strom in einem sauberen Energiesystems erweitert und fossile Kraftwerke noch ein Stück weiter überflüssig macht.
Auch die Kunden können profitieren
Von der sonnenCommunity und der Bereitstellung von Primärregelleistung profitieren in Zukunft auch die Autofahrer und Autofahrerinnen. Denn die Währung im Energiesystem der Zukunft heißt nicht länger Kilowattstunde, sondern vielmehr Flexibilität.
sonnen bietet bereits heute eine Gewinnbeteiligung an seinem virtuellen Kraftwerk. Mit der Einbindung der E-Autos können weitere Vergütungsmodelle entwickelt werden, so dass die Kundinnen und Kunden zusätzliche Anreize dafür erhalten, wenn sie ihr Elektroauto netzverträglich steuern lassen.