Telematik: Gerechter versichert oder telematisch bevormundet?
13. Februar 2020Telematik: Beim Goslar Diskurs stand der digitale Schritt in der individuellen Risikobewertung der Kfz-Versicherung zur Debatte.
Beim diesjährigen „Goslarer Diskurs“ am Rande des Verkehrsgerichtstags ging es wieder um die Frage: Wem gehören meine Daten? Grund für die Debatte liefert die Versicherungswirtschaft mit ihrem sogenannten Telematik-Tarif. Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung sollen den Verkehr sicherer und die Beitragsberechnung gerechter machen. Die neuen Tarife berücksichtigen neben statistisch erhobenen Merkmalen auch die individuelle Fahrweise. Diese wird anhand von Daten aus dem Auto bewertet. Wer vorausschauend und sicher fährt, erhält einen Beitragsnachlass. Wer sich also dafür entscheidet, zahlt weniger für seinen Versicherungsschutz, muss aber akzeptieren, dass sein Versicherer ihm nicht nur über die Schulter guckt, sondern auch noch seinen Fahrstil bewertet.
Individuellere Risikobewertung durch Telematik
Die beim Goslar Diskurs vertretenen Verbraucher- und Datenschützer sehen Vorteile der Telematik-Tarife. Sie haben kein prinzipielles Problem mit dieser individuelleren Risikobewertung der Kfz-Versicherung. Vorraussetzung für sie ist aber, dass sie vom Kunden gewählt, die Versicherungsbedingungen transparent sind und der Kunde erfährt, zu welchem Zweck welche seiner Fahrdaten erhoben und verwendet werden. Für die Vertreter der Versicherungskunden, wie Verbraucherschützer Hermann-Josef Tenhagen und Datenschützer Sven Hermerschmidt, muss die Entscheidung für oder gegen einen Telematik-Tarif frei und freiwillig von den Versicherungsnehmern getroffen werden können.
Von den Vorteilen der individuelleren Versicherungspolicen seien zunehmend mehr Autofahrer überzeugt, wie HUK-COBURG-Vorstand Dr. Jörg Rheinländer in Goslar berichtete. Der Kfz-Versicherer habe bereits rund 200.000 Telematik-Kunden, was er darauf zurückführt, dass ein Versicherungsnehmer mit Telematik sparen könne. „Wer sicher und vorausschauend fährt, spart bis zu 30 Prozent. Neben dem Spar-Effekt bekommt er Feedback zu seinem Fahrverhalten. Das ist ein Angebot, für das viele Nutzer offen sind,“ macht Dr. Rheinländer deutlich. Dabei nahm er auch zu der mitunter gegen die Telematik-Tarife angeführten Kritik Stellung. Dadurch werde das Versicherungskollektiv in Frage gestellt. Dieses sei nicht der Fall: Mit Telematik werde es nicht ausgehebelt, wenn der jeweilige Nachlass adäquat sei.
Transparenz ist für Erfolg und Akzeptanz der Telematik entscheidend
Denn in den Versicherungsbedingungen seines Unternehmens zum Telematik-Tarif stehe alles Erforderliche drin, auch welche Daten erfasst werden, betonte er. Als wesentlich für die Transparenz bezeichnet er das Feedback über das Handy, worüber der Kunde angezeigt bekomme, wann und wo er sich hinterm Steuer nicht vorteilhaft für seinen Tarif verhalten hat. Daraus lerne der Kunde zum Wohle der Verkehrssicherheit, dessen ist er sich sicher.
Für Hermann-Josef Tenhagen handelt es sich um einen Deal, den man machen kann, wenn man für die Preisgabe seiner Fahrdaten eine Vergünstigung beim Kfz-Versicherungstarif von realistisch 15 bis 20 Prozent erzielen kann. Wichtig ist dem Verbraucherjournalisten dabei jedoch, dass der Kunde entscheidet und weiß, welche Daten er preisgibt und wie diese ausgewertet werden. Telematik hält er für in Ordnung, wenn der Verbraucher weiß, dass etwa zu schnelles Fahren seine Versicherung verteuern kann.
Telematik sollte datenschutzkonform sein
Gegen datenschutzgerecht gemachte Telematik hat auch Sven Hermerschmidt nichts einzuwenden. Jedoch müsse der Kunden wissen, was dabei passiert. Mittels einer Garantie, dass die erhobenen Daten nur für den angegebenen Zweck verwendet werden, solle dies erreicht werden. Deshalb sei eine enge Zweckbindung der Daten, auch gegenüber staatlichen Interessen oder Einrichtungen, eine wesentliche Voraussetzung bei der Telematik.
Fachjournalist Guido Reinking erinnert jedoch daran, dass ein modernes Auto heute schon viel mehr weiß. Noch seien die Sensoren nicht alle verknüpft, noch werden die Daten nur intern und nur anonymisiert bei den Herstellern ausgewertet, sagen zumindest die Hersteller. So warne etwa ein modernes Fahrzeug bereits vor Geschwindigkeitsübertretungen, erläuterte er. Versicherer wie die HUK-COBURG machten mit der Herstellung der Verbindung zum Fahrer etwas, was die Autoindustrie schon längst hätte machen müssen: Per Connectivity aus Fahrdaten Services generieren.
Viele wollen die Daten
Laut Dr. Rheinländer müssten die Versicherer sich bei der Automobilindustrie intensiv für einen diskriminierungsfreien Zugang zu den vom Auto registrierten Daten einsetzten. „Wenn ein Autofahrer einen Telematik-Tarif möchte, warum kann er dann seine Daten aus seinem Auto nicht an seinen Versicherer geben“, fragte er. Denn diese Daten gehörten letztlich dem Kunden und der müsse darüber bestimmen können. „Dieser Datenzugang muss frei sein“, so sein Fazit.
Am Ende wird über den Erfolg solcher verhaltensbasierter Systeme wie der Telematik entscheiden, ob deren Anbieter Vertrauen bei den Nutzern erwecken können, pflichtet Prof. Dr. Wagner bei. Diese müssten zudem erkennen können, dass sie einen Mehrwert von diesem Angebot haben. Deshalb sollte jeder Anbieter von Telematik-Tarifen es vermeiden, mit den Daten der Kunden etwas anzufangen, was diese nicht wollen. Denn sonst werde man dieses System nicht weiter etablieren können.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Goslar Institut