Neuer Entwicklungs-Standard für sicheres automatisiertes Fahren
5. Dezember 2023Die Autofahrer in Deutschland haben nach wie vor großes Interesse an Fahrassistenzsystemen. Laut einer McKinsey-Studie sind 2035 damit bis zu 400 Milliarden US-Dollar zusätzlicher Umsatz möglich. Dann sei jedes dritte Fahrzeug mit fortgeschrittenen Level-3-Fahrassistenzsystemen ausgestattet. Ein Viertel der Kunden wollen beim nächsten Auto einen Schritt weiter in Richtung autonomes Fahren gehen. Die Weiterentwicklung von fortgeschrittenen Fahrassistenzsystemen bis hin zum automatisierten Fahren kann zukünftig eine bedeutende Umsatzquelle für die Automobilindustrie werden. Mit einer jährlichen Steigerung von 15 bis 20 Prozent wird der Markt für Fahrassistenzsysteme und autonomes Fahren für Privatfahrzeuge von heute (rund 50 Milliarden US-Dollar) auf 300 bis 400 Milliarden US-Dollar im Jahr 2035 wachsen. Der größte Teil des Umsatzes entfällt dann auf Level 4-Funktionen, also das fahrerlose Fahren unter bestimmten Bedingungen. Dies geht aus einer Analyse mit dem Titel „Autonomous driving’s future: Convenient and connected“ hervor, die von der Unternehmensberatung McKinsey & Company Anfang 2023 vorgestellt wurde.
Neuer Entwicklungs-Standard für sicheres automatisiertes Fahren
Fahrerlose Autos sollten in Deutschland eigentlich heute schon am Straßenverkehr teilnehmen können. Schon seit vielen Jahren sind die Ingenieure fast aller Autohersteller mit Systemen zum automatisierten und hochautomatisierten Fahren unterwegs. Denn je höher der Grad in Richtung automatisiertes Fahren und je komplexer das Einsatzgebiet eines Systems, desto mehr Faktoren müssen bei der Entwicklung berücksichtigt werden. Bereits heute sind erste SAE Level 3-Systeme für das Autobahnfahren und ein SAE Level 4-System für das fahrerlose Parken zugelassen. Für eine Ausweitung auf weitere Einsatzgebiete wie etwa dem Stadtverkehr steigen die Komplexität und die Anforderungen an Fahrzeug und System deutlich an.
Große Herausforderungen im Stadtverkehr
Die deutsche Automobilindustrie hat sich in einem Verbundprojekt mit 21 Partnern zusammengeschlossen und die weltweit ersten Strukturen entwickelt, um Sicherheitsstandards für automatisiertes Fahren im urbanen Umfeld nachweisbar zu machen. Vier Jahre nach Beginn des Verbundprojektes Verifikations- und Validierungsmethoden (VVM) liegen die Ergebnisse vor. „Fußgänger, Radfahrer, motorisierte Zweiräder, schwer einsehbare Straßenkreuzungen: Eine der größten Herausforderung beim automatisierten Fahren stellt das Beherrschen des Verkehrs im urbanen Umfeld dar. Dieser ist geprägt durch viele Verkehrsteilnehmer, Ampelsysteme, Verkehrszeichen und Fahrzeuge“, sagt Roland Galbas von Bosch, Leiter des Konsortialprojektes VVM. „Damit das Fahrzeug in Zukunft auch höchst seltene Szenarien beherrscht, braucht es nachvollziehbare Strukturen und Prozesse, die den sicheren Betrieb eines Systems in Ausnahmesituationen nicht nur ermöglichen, sondern das sichere Manövrieren auch nachweisen können.“
Verkehrszulassung nur bei nachweisbarer Sicherheit
Bereits bei der Auslegung und Entwicklung in Richtung automatisiertes Fahren steht der Sicherheitsgrundsatz an erster Stelle. Entsprechend müssen diese Sicherheitsfunktionen für die Verkehrszulassung eines Fahrzeuges und einer zertifizierten Freigabe für den Straßenverkehr nachgewiesen werden. Dazu haben die 21 Projektpartner gemeinsam ein Modell erarbeitet, das aus verschiedenen Verfahren, Methoden und Werkzeugen besteht. So kann mittels einer sogenannten Sicherheitsargumentation, der Nachweis erbracht werden, dass das System sicher nutzbar ist. Für die methodische Ausgestaltung dieses Modells haben die Partner in mehreren Teilprojekten zusammengearbeitet. Branchenweit angewendet, würde das definierte Modell die Grundlage schaffen, die Sicherheit in automatisierten Fahrzeugen nachzuweisen.
Technologie-Vorreiter aus Deutschland
Der methodische Ansatz aus dem VVM-Projekt ist weltweit der erste Standard, der auch industrielle Prozesse berücksichtigt. Damit macht sich die deutsche Automobilindustrie erneut zum technologischen Vorreiter beim automatisierten Fahren. Bereits im Jahr 2021 trat mit einem entsprechenden Gesetz in Deutschland die weltweit erste Regulierung für vollständig automatisiertes Fahren (SAE Level 4) in Kraft. In 2022 wurde eine entsprechende Verordnung mit den technischen Details beschlossen, um entsprechende Fahrzeuge auf deutschen Straßen zulassen und betreiben zu können. Die deutsche Autoindustrie also nähert sich mehr denn je an automatisiertes Fahren an und macht sie beherrschbarer.
Foto: Bosch