Autonomes Fahren: Da scheiden sich die Geister

Autonomes Fahren: Da scheiden sich die Geister

29. August 2023 0 Von Jürgen Rinn

Wie verhalten sich Verkehrsteilnehmer gegenüber Fahrzeugen, die mit automatisierten Systemen ausgestattet sind? Dieser Frage ging das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag von DEKRA nach. Soviel vorab, das Vertrauen in autonomes Fahren ist recht stark ausgeprägt.

Assistiertes Fahren ja, vollautomatisiert eher nicht

In der für den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2023 zum Thema „Technik und Mensch“ durchgeführten repräsentativen Befragung mit Blick auf Fahrerassistenzsysteme, die heute in modernen Fahrzeugen verbaut sind, ist das Vertrauen der Befragten mit 68 Prozent relativ stark ausgeprägt. Unter den jüngeren Befragten zwischen 18 und 34 Jahren und unter Männern fällt das Vertrauen dabei etwas höher aus als unter den Älteren und den befragten Frauen. Immerhin 25 Prozent vertrauen den Systemen allerdings eher nicht und fünf Prozent gar nicht.

Etwa die Hälfte der Befragten erklären, dass sie hinsichtlich ihres Vertrauens in die Sicherheit in Sachen autonomes Fahren keine Unterschiede zwischen verschiedenen Autoherstellern machen. In der anderen Gruppe, die in diesem Punkt manchen Autoherstellern mehr als anderen vertraut, spielt für 87 Prozent die Marke des Fahrzeugs eine große Rolle. Für 78 Prozent ist auch das Herstellungsland ein wichtiger Aspekt, für 55 Prozent ist zudem der Preis des Fahrzeugs ein relevanter Faktor.

Autonomes Fahren dürfte sich nur langsam durchsetzen

Insgesamt gesehen haben die Autofahrer in Deutschland nach wie vor großes Interesse an Fahrassistenzsystemen. Dies geht auch aus einer aktuellen Analyse der Unternehmensberatung McKinsey & Company zum Thema „Autonomous driving’s future: Convenient and connected“ (zu Deutsch „Die Zukunft autonomen Fahrens: bequem und vernetzt“) hervor. In der dazu durchgeführten Kundenbefragung gab rund ein Viertel von mehr als 25.000 Teilnehmern an, bei ihrem nächsten Fahrzeugkauf sehr wahrscheinlich ein fortgeschrittenes Fahrassistenzsystem ordern zu wollen. Und zwei Drittel dieser Kunden erklärten sich unter anderem bereit dazu, für einen Level-4-Autobahnpiloten einmalig 10.000 US-Dollar zu bezahlen. Diese Einstellung begründet Kersten Heineke, Partner von McKinsey und Co-Autor der Studie, damit, dass assistiertes Fahren aus Kundensicht sehr attraktiv sei. Denn es könne die Automobilität sicherer, angenehmer und produktiver machen, so Heineke.

Wenig Interesse bei komplett fahrerlosen Fahrzeugen der Stufe „Level 5“

Allerdings registrierten die Verfasser der Untersuchung auch erstmals einen Rückgang des Kundeninteresses bei komplett fahrerlosen Fahrzeugen der Stufe „Level 5“. Demnach würden aktuell nur noch 26 Prozent der Befragten auf ein vollautomatisches Auto umsteigen wollen. Zum Vergleich: 2020 lag dieser Wert noch bei 35 Prozent der Befragungsteilnehmer, wie McKinsey erläutert. Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung sehen die Studien-Autoren in gesunkenem Vertrauen in diese Technologie: So äußerten in der Befragung 64 Prozent der Kunden, die Sicherheit autonomer Fahrzeuge müsse noch größer werden. Auch das Regulierungsumfeld sollte sich noch weiterentwickeln, fordert McKinsey-Experte Heineke, wenngleich er einräumt, in Deutschland und in anderen Ländern schon richtige Schritte gesehen zu haben.

Bei forsa sieht man noch Skepsis gegenüber hoch automatisierten Fahrzeugen

Ähnlich sind die forsa-Ergebnisse in Bezug auf hoch automatisierte Fahrzeuge, deren Nutzung in den kommenden Jahrzehnten zweifelsohne zunehmen wird. Aktuell wird unter anderem darüber diskutiert, ob Fahrzeuge in Zukunft mit einer besonderen Beleuchtung gekennzeichnet werden sollen, wenn sie vollständig automatisiert fahren. Damit würden sie als solche im Straßenverkehr erkennbar sein.

Danach befragt, wie sie sich einem hoch automatisierten Fahrzeug gegenüber verhalten würden, sagen 60 Prozent, dass sie diesem mit mehr Vorsicht begegnen würden als einem Fahrzeug, das von einer Person gesteuert wird. Und das unabhängig davon, ob sie selbst mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind. 36 Prozent würden einem solchen Fahrzeug mit gleicher Vorsicht begegnen. Die Skepsis gegenüber hoch automatisierten Fahrzeugen steigt mit zunehmendem Alter der Befragten deutlich an. Hier von 47 Prozent bei den 18- bis 34-Jährigen auf 73 Prozent ab einem Alter von 65 Jahren. Bei Frauen ist die Vorsicht mit 67 Prozent größer als bei Männern 53 Prozent.

Der Traum vom fahrerlosen Auto ist nicht ausgeträumt, aber noch in weiter Ferne

Die Experten der Unternehmensberatung McKinsey & Company sehen allerdings noch viel Handlungs- und Klärungsbedarf bis es schließlich komplett selbstständiges Fahren ohne jegliche menschliche Unterstützung geben wird. Jedoch steht für sie ebenfalls fest, dass die Vision vom autonomen Fahren längst kein „Zukunftsthema“ mehr ist, sondern näher an der Realität als viele meinen. Und die Potenziale dieser Technologie seien enorm, betont der ADAC mit Bezug auf die Prognos-Studie – für die Gesellschaft, die Sicherheit und für den Wirtschaftsstandort Europa. Demnach kann diese Form der Automatisierung ältere oder leistungseingeschränkte Menschen besser einbinden, Verkehr flüssiger und den Transport von Gütern umweltschonender machen. Je nach Grad der Automatisierung könnten die Unfallzahlen weiter reduziert werden. Schließlich wird für immerhin 90 Prozent aller Crashs menschliches Versagen verantwortlich gemacht. Daher habe die Entwicklung der besten Technologie fürs autonome Fahren eine immens große Bedeutung, betonen die Fachleute.

Foto: GOSLAR INSTITUT

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