Zulieferer haben weniger Personal als vor 10 Jahren
4. April 2024Die Beratungsfirma EY hat analysiert, wie sich die deutsche Automobilindustrie entwickelt. Den Zulieferern attestiert sie eher Schrumpfung denn Wachstum. Zwischen 2014 und 2024 verloren die Zulieferer 7,5 Prozent ihres Personals. Und auch bei den Fahrzeugherstellern ist nicht alles Gold, was glänzt.
Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hat eine Studie zur Entwicklung der deutschen Automobilindustrie im Jahr 2023 erstellt. Basis der Studie, die nur in Deutschland tätige Betriebe analysiert, sind aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Agentur für Arbeit. Untersucht wurden Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern.
Im Jahr 2023 hat man die Produktionsengpässe am Automobilstandort Deutschland überwunden und mehr Umsatz erwirtschaftet als je zuvor: Die in Deutschland ansässigen Autohersteller und -zulieferer steigerten ihre hierzulande erwirtschafteten Umsätze im Jahr 2023 insgesamt um zehn Prozent auf 558 Milliarden Euro. Dabei schnitten die Autohersteller mit einem Umsatzwachstum von elf Prozent erneut besser ab als die Zulieferer, die ein Plus von neun Prozent verzeichneten.
Große Unterschiede zwischen Fahrzeugherstellern und Zulieferern
Vor allem im zehn-Jahres-Vergleich zeigt sich, wie weit die Schere zwischen Herstellern und Zulieferern auseinandergeht: Seit 2014 stieg der Umsatz der Zulieferer in Deutschland um 25 Prozent, während die Hersteller mehr als doppelt so stark – um 59 Prozent – zulegten.
Die Beschäftigungssituation hat sich trotz der positiven Umsatzentwicklung zuletzt allerdings kaum verbessert: Zwar stieg die Zahl der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter im Jahr 2023 um 0,7 Prozent auf etwa 780 Tausend, wodurch der Negativtrend der vorangegangenen vier Jahre gestoppt wurde. Die Beschäftigung lag damit aber weiter deutlich unter dem Höchststand des Jahres 2018, als 834 Tausend Personen für Automobilhersteller oder -zulieferer in Deutschland tätig waren. Bei den Zulieferern wurde zudem im Jahr 2023 erneut ein Beschäftigungsrückgang (um 0,2 Prozent) registriert. In den vergangenen zehn Jahren ist damit die Zahl der Mitarbeiter bei Zulieferern in Deutschland um 7,5 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg die Beschäftigung bei den Herstellern um 4,3 Prozent.
Inflation verfälscht Ergebnisse
„Auf den ersten Blick war das vergangene Jahr nicht schlecht für die deutsche Autoindustrie. Die Rekordumsätze sind allerdings auch ein Ergebnis der hohen Inflation und stark gestiegener Einkaufs- und Materialpreise. Unterm Strich sorgten gerade die hohen Energie- und gestiegene Lohnkosten bei vielen Unternehmen für eine rückläufige Marge. Das gilt vor allem für die Zulieferer, für die die Luft immer dünner wird. Und derzeit spricht wenig für eine Verbesserung der Lage – im Gegenteil: Der Konjunkturmotor stottert, der Neuwagenabsatz hat längst noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Überkapazitäten und neue Rabattschlachten sind die Folge.“
Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West
Gall rechnet mit einer weiteren Konsolidierung unter den Zulieferern, auch angetrieben durch den stockenden Hochlauf der Elektromobilität: „Wer als Zulieferer zukunftsfähig sein möchte, muss massiv in neue Technologien und investieren. Gleichzeitig werden im Elektrosegment bei weitem nicht die erwarteten und benötigten Stückzahlen erreicht. Das kostet die Branche aktuell sehr viel Geld und drückt auf die Marge.“
Zulieferer mit dem Rücken zur Wand
Gall sieht viele Zulieferer mit dem Rücken zur Wand: „Der erhoffte Hochlauf der Elektromobilität kommt nicht in Fahrt, es knirscht an allen Ecken und Ende, und es macht sich Unsicherheit breit. Denn noch gelten die ambitionierten Ziele der EU und das Verbrennerverbot ab 2035 – aber die Rufe nach einem Aufweichen der Ziele werden immer lauter. In gut einem Jahrzehnt sollen keine Verbrenner mehr in der EU zugelassen werden – aber in der Hälfte der 27 EU-Länder lag der Elektro-Marktanteil im vergangenen Jahr unter 10 Prozent, darunter große Märkte wie Italien, Spanien und Polen. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist sehr groß.“
Angesichts der erheblichen Unsicherheiten, mit denen sich die Unternehmen konfrontiert sehen, rechnet Gall mit einem Beschäftigungsabbau im laufenden Jahr. „Zuletzt ist die Beschäftigung leicht gestiegen, was vor allem auf Aufbau an Software-Kompetenzen zurückzuführen ist. Der langfristige Trend zeigt aber klar nach unten: Die meisten großen Branchenunternehmen setzen auf Kostensenkungsprogramme, zudem wird der Vormarsch der Künstlichen Intelligenz zu einem deutlichen Beschäftigungsrückgang in indirekten Bereichen wie IT, Personal, Marketing, Finanz- und Rechnungswesen führen. Zunehmend setzen die Unternehmen daher auf Einstellungsstopps und den Abbau von Managementebenen. Und langfristig wird der Hochlauf der Elektromobilität ohnehin zu einem deutlich geringeren Personalbedarf führen, weil die Herstellung von Elektrofahrzeugen weniger personalintensiv ist als die Herstellung von Pkw mit konventionellen oder Hybrid-Antrieben. Das wird unausweichlich zu einer niedrigeren Beschäftigung am Standort Deutschland führen.“
Trend zeigt nach unten
Die größten Produktionsstandorte in Deutschland sind derzeit Bayern und Baden-Württemberg, wo Mitte vergangenen Jahres knapp 250.000 bzw. gut 225.000 Menschen in der Autoindustrie beschäftigt waren. Die größte Rolle für den Arbeitsmarkt im jeweiligen Bundesland spielt die Autoindustrie aber im Saarland: Dort arbeiten fast sechs Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei einem Autohersteller oder -zulieferer. In Baden-Württemberg und Niedersachsen liegt der Anteil bei 4,6 bzw. 4,4 Prozent.
Wichtige Wachstumsimpulse kamen zuletzt vom Export: Die Exporte von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen stiegen im Jahr 2023 um zehn Prozent, nachdem sie im Vorjahr bereits um 16 Prozent gestiegen waren. Die beiden wichtigsten Exportmärkte schwächelten allerdings: Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten lagen nur minimal über denen des Vorjahres, die Exporte nach China brachen sogar um 18 Prozent ein. „Die Situation in den Exportmärkten USA und China ist schwierig – aufgrund der aktuellen geopolitischen Spannungen, einer gewissen Abschottung Chinas sowie der anstehenden Wahlen in den USA. Insgesamt sehen wir zunehmend Nationalisierungstendenzen, die für unsere stark exportorientierte Autoindustrie ein echtes Risiko darstellen“, so Gall. Wesentliche Zukunftsinvestitionen würden zunehmend außerhalb Deutschlands getätigt, warnt er.
Positiv entwickelten sich hingegen zuletzt die Ausfuhren in europäische Länder: Die Exporte in Länder der Eurozone legten im vergangenen Jahr um 21 Prozent zu und damit mehr als dreimal so stark wie die Ausfuhren ins sonstige Ausland, die nur um sechs Prozent stiegen.