Geregelter Zugriff auf Fahrzeugdaten soll Verkehrssicherheit erhöhen
25. November 2020Die Sachverständigen-Organisation DEKRA machte beim auto motor und sport Kongress 2020 deutlich, dass ein geregelter Zugriff auf Fahrzeugdaten für die Verkehrssicherheit der Zukunft elementar ist.
Die Digitalisierung hat weitreichende Auswirkungen auf den Automobilsektor. Technische Entwicklungen im Bereich des vernetzten Fahrens sowie neue Online-Geschäftsmodelle werden die Mobilität grundlegend verändern. Nicht erst seit gestern fordern eine Reihe von Verbänden und Organisationen, wie ADAC, GVA und ZDK in einem gemeinsamen Positionspapier einen gleichberechtigten Zugang für alle Marktteilnehmer zu fahrzeuggenerierten Daten und Funktionen durch eine im Fahrzeug integrierte, interoperable, standardisierte, sichere Telematik-Plattform (OTP). Nur so könne freier Wettbewerb in Zeiten der zunehmenden Vernetzung der Fahrzeuge möglich sein und die Wahlfreiheit des Verbrauchers sicherstellen. Dabei darf aber auch die Betriebsgefahr von „rollenden Computern“ nicht unterschätzt werden.
Gesetzlich geregelter Zugriff auf Fahrzeugdaten im vernetzten Fahrzeug
Denn Vernetzung und Automatisierung sind die Schlüsselworte für die Entwicklung der Automobiltechnologie in den kommenden Jahren. „Für die Verkehrssicherheit der Zukunft wird es entscheidend sein, dass solche Funktionen im Fahrzeug dauerhaft verlässlich funktionieren. Um das sicherzustellen, müssen sie von Überwachungsorganisationen sinnvoll geprüft werden können“, erklärte DEKRA Vorstandschef Stefan Kölbl auf dem auto motor und sport Kongress 2020 über den Zugriff auf Fahrzeugdaten. Im Rahmen der Online-Veranstaltung forderte er einen gesetzlich geregelten Zugriff auf sicherheits- und umweltrelevante Fahrzeugdaten. So müsse die Fahrzeugprüfung muss auch elektronische Systeme und Software erfassen.
Die unabhängigen Prüforganisationen TÜV, DEKRA, GTÜ, KÜS und VÜK haben einen direkten Zugang zu sicherheits- und umweltrelevanten Daten aus Fahrzeugen gefordert, um ihrem hoheitlichen Prüfauftrag auch in Zukunft gerecht werden zu können. Dafür müssten jetzt die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
Der „rollende Computer“ bringt Risiken mit sich
„Wem gehören die Fahrzeugdaten?“ lautete die Überschrift über die gemeinsame Talkrunde mit dem ADAC-Vizepräsidenten Karsten Schulze und Dr. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der HUK-Coburg-Versicherungsgruppe. Grundlegend einig war man sich darin, dass Daten aus dem Auto zunächst einmal dem Fahrzeughalter bzw. -nutzer gehören. Der sollte grundsätzlich selbst entscheiden können, welchem Akteur er Zugriff auf welche Daten einräumen möchte. Eine Ausnahme bilden aus Sicht des DEKRA Vorstandschefs allerdings hoheitliche Aufgaben wie beispielsweise die Hauptuntersuchung. „Hier kann der Zugriff auf die für die Prüfung relevanten Daten nicht an die Zustimmung des Fahrzeughalters geknüpft sein, sondern es muss klare gesetzliche Vorgaben geben“, erklärt Kölbl.
Das Bild vom Auto der Zukunft als „rollendem Computer“ birgt für Stefan Kölbl die Gefahr der Verharmlosung. Von Fahrzeugen gehe einfach eine andere Betriebsgefahr aus: „Wenn ein Computer abstürzt, wird er in der Regel neu gestartet, und dann ist meistens wieder alles in Ordnung. Wenn dieser Computer aber mehr als eine Tonne wiegt und 50 Kilometer pro Stunde fährt, dann kann ein solcher Absturz ganz andere Folgen haben.“
Es sei zwar richtig, dass Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Funktionen großes Potenzial haben, Unfälle zu vermeiden oder abzumildern, meinte Kölbl und erklärt: „Dieses Potenzial können sie aber nur ausspielen, wenn sie über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs zuverlässig funktionieren.“ Das sei insofern umso wichtiger, als beim hoch automatisierten Fahren der Mensch als Rückfallebene wegfalle.
Datentreuhänder-Modell soll für Sicherheit sorgen
Um einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Fahrzeugdaten gewährleisten zu können, haben die Prüfgesellschaften bereits im vergangenen Jahr eine TrustCenter-Lösung vorgeschlagen. Das TrustCenter regelt in diesem Modell im staatlichen Auftrag, wer zu welchen Zwecken auf bestimmte Fahrzeugdaten zugreifen darf. Der Datenzugang für hoheitliche Aufgaben wie die Fahrzeugüberwachung, die Aufklärung schwerer Straftaten oder die Ermittlung von Unfallursachen muss auf gesetzlicher Grundlage erfolgen. Ein Datentreuhänder-Modell mit einem so genannten „Trust Center“, das als vertrauenswürdige und unabhängige Instanz im staatlichen Auftrag handelt, schaffe für Behörden, Prüfinstitutionen und weitere berechtigte Stellen einen sicheren, gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugriff auf relevante Daten automatisierter und vernetzter Fahrzeuge. Dazu merkt Kölbl an: „Dabei geht es uns bei weitem nicht um die umfassende Speicherung des kompletten Datenaustauschs mit dem Fahrzeug, sondern um die sicherheits- und umweltrelevanten Daten, die im Zuge der Typzulassung des Fahrzeugs als solche markiert worden sind.“
Zudem müsse aus seiner Sicht sichergestellt sein, dass die Daten, die bei der Fahrzeugprüfung genutzt werden, unverfälscht und vollständig sind. „Die Lieferung der Daten über einen Server des Fahrzeugherstellers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es kann nicht sein, dass der Hersteller die komplette Datenhoheit hat“, so sein Fazit.
Mit der Datenfreigabe sollen Autofahrer Geld verdienen können
Und weil eben die Speicherung von Autonutzer-Daten zunehmend an Bedeutung gewinnt, bietet ein Start-up aus München Autofahrern an, ihre Fahrzeugdaten privat in einer Cloud zu speichern und verspricht, sie könnten mit der gezielten Freigabe auch Geld verdienen. My Auto Data (MAUD) präsentiert sich als geschlossenes System. Das heißt, die Fahrzeughalter können ihre Daten selbstbestimmt und geschützt verwalten und mit einer Zugriffserlaubnis, die den teilnehmenden Unternehmen erteilt wird, auch Geld verdienen und durch vergünstigte Angebote, etwa von Versicherungen, auch sparen. Maud soll auch als Fahrtenbuch funktionieren. Unternehmen können laut Anbieter die freigeschalteten Informationen rechtssicher und DSGVO-konform abfragen. Auf dem integrierten Marktplatz sollen die Nutzer auf Anfrage per Knopfdruck Angebote über Services und Produkte für ihr Fahrzeug erhalten. Die Mitgliedschaft sei für Fahrzeughalter und Unternehmen kostenlos, heißt es dort.
Foto: Auto-Medienportal.Net/MAUD