Ersatzteillogistik bei febi: da steckt Mathe drin!

Ersatzteillogistik bei febi: da steckt Mathe drin!

1. August 2023 0 Von Dr. Frauke Hewer

Die globale Ersatzteillogistik erfordert äußerst präzise Absatz- und Bestandsprognosen – und benötigt deshalb intelligente Lösungen: Mit fortschrittlicher, mathematischer Optimierung lassen sich Bedarfe exakt einschätzen, punktgenaue Verfügbarkeiten erhöhen und gleichzeitig Überbestände senken. Sie macht Lieferketten sicherer, reduziert die Kosten und Bestände, eliminiert Fehler und erhöht die Kundenzufriedenheit. Bei febi in Ennepetal ist jetzt eine spezielle Software im Einsatz, die Bestände optimieren soll.

Kaum eine Sparte der Logistikbranche ist so komplex wie die Ersatzteillogistik und mit derartigen Herausforderungen konfrontiert. Ein Unternehmen, das die Herausforderungen nur allzu gut kennt und sie mithilfe der mathematischen Optimierung meistert, ist der international agierende Hersteller und Lieferant von Ersatzteilen im Pkw- und Nkw-Bereich Ferdinand Bilstein GmbH + Co KG mit Hauptsitz in Ennepetal (kurz Febi Bilstein). Ihre bis zu 20.000 Artikel im Bestand konnten sie mit einem ERP-System allein nicht mehr zuverlässig und zügig bewirtschaften: Die Disposition war ungenau, das vorhandene ERP-System lieferte keine Bestellvorschläge und bot keine umfassende Hilfe beispielsweise in der Prognose und beim Berechnen eines Sicherheitsbestandes. Deshalb setzt Febi Bilstein auf die intelligente Bestandsoptimierungssoftware ADD*ONE von INFORM und beplant damit inzwischen über 50.000 verschiedene Ersatzteile in 140 Ländern.

Wo ERP-Systeme schnell an Grenzen stoßen

Unternehmen in der Ersatzteillogistik müssen eine Vielzahl von Produkten und Bauteilen verwalten, die häufig in unterschiedlichen Generationen und Versionen existieren. Diese große Vielfalt erschwert die Lagerhaltung und Beschaffung, da es schwierig sein kann, den Bedarf genau zu prognostizieren. Hinzu kommt die Dringlichkeit der Lieferungen, da in vielen Fällen Ersatzteile erst angefordert werden, wenn ein Ausfall oder Defekt bereits aufgetreten ist. Dadurch entsteht ein akuter Bedarf, der in kürzester Zeit erfüllt werden muss, um Ausfallzeiten zu minimieren. Darüber hinaus werden Ersatzteile von Zulieferern und Herstellern auf der ganzen Welt bezogen.

Dadurch können sich Lieferzeiten und Transportkosten erhöhen. Durch die Vielzahl der bedienten Exportmärkte kommen zudem unterschiedliche Verbrauchsmuster pro Artikel hinzu. So kann beispielsweise ein Artikel, der in Deutschland konstant nachgefragt wird, in Südamerika nur sporadisch nachgefragt werden. Hier die richtige Balance zwischen Lagerbeständen und Lieferbereitschaft zu finden, ist eine komplexe Aufgabe und maßgeblich für die Zufriedenheit der Kunden. Menschliche Intuition und Erfahrungswerte stoßen da an ihre Grenzen. Auch ERP-Systeme scheitern an dieser Aufgabe, weil sie zum Beispiel von prinzipiell unbegrenzten Ressourcen ausgehen und tatsächlich auftauchende Probleme nicht erkennen.

Mathematische Optimierung der Ersatzteillogistik in drei Schritten

Ein Beispiel macht schnell deutlich, dass Mathematik als Grundlage für Entscheidungsempfehlungen unumgänglich ist: Angenommen, ein Disponent hat eine Liste mit 100 Ersatzteilen, die an 10 verschiedene Standorte geliefert werden müssen. Für jedes Ersatzteil muss er festlegen, wie viele Einheiten an welchem Tag an welchen Standort geliefert werden müssen. Allein dies ist schon eine große Anzahl an Möglichkeiten. Berücksichtigt der Disponent dann noch weitere Informationen wie Bedarfsprognosen, Lieferzeiten, Lagerbestände, Kosten und saisonale Schwankungen, steigt die Zahl der Möglichkeiten ins Unendliche. Für die mathematischen Algorithmen jedoch ein Kinderspiel, denn letztlich geht es darum, die Extremwerte einer Funktion zu bestimmen, und das ist eine Kernkompetenz der Mathematik.

Vereinfacht dargestellt geht die mathematische Optimierung dabei in drei Schritten vor:

  1. Ein reales Problem wird als mathematisches Modell formuliert.
  2. Zur Lösung des Models werden schematische Rechenformeln – sprich Algorithmen –erstellt.
  3. Es werden Softwareprogramme geschrieben, die die Algorithmen ausführen und die ihrerseits die Erstellung weiterer mathematischer Modelle unterstützen.

Die damit einhergehenden Aufgabenstellungen, deren Rechenlösung 1990 noch Jahre gedauert hätte, lassen sich heute dank erfolgreich weiterentwickelter Algorithmen in wenigen Stunden, Minuten oder sogar Sekunden lösen. Damit kann das vormals oft nur theoretische Konzept der mathematischen Optimierung so in Praxisanwendungen der Ersatzteillogistik maßgeblich zum konkreten unternehmerischen Erfolg beitragen. Die Bestandsoptimierungssoftware analysiert als Add-On die Bewegungsdaten aus dem über eine Schnittstelle integrierten ERP-System und ermittelt die Verbrauchsverläufe. Auf dieser Basis erhalten die Disponenten präzise Prognosen für die verschiedenen Produkt-, Kunden- und Lagerstrukturen an allen Unternehmensstandorten, allein im Zentrallager in Ennepetal hält Febi jederzeit mehr als 32 Millionen Teile zur Auslieferung bereit.

Prognose, Disposition und Workflow am Dashboard im Blick

Die Einkäufer oder Disponenten im Bestandsmanagement benötigen für ihre Aufgaben in der Ersatzteillogistik keinerlei mathematisches Spezialwissen: Ihnen stehen in einer Optimierungslösung für das Bestandmanagement einfach zu bedienende grafische Controlling-Dashboards für die Bewirtschaftung der Ersatzteilvorräte und für einen effizienten Workflow zur Verfügung. Sie erhalten den kompletten Überblick über aktuelle und prognostizierte Bestände des gesamten Portfolios. Die Software berechnet darauf aufbauend die weltweite Planungssituation immer wieder aufs Neue; inklusive ausnahmebasierter Alerts, die anzeigen, wo menschliches Handeln gefordert ist, weil zum Beispiel Lieferschwierigkeiten drohen und Lieferzeiten weit über zuverlässige Prognosen hinausgehen. Sie liefert dazu automatisierte Bestellvorschläge oder tätigt diese Bestellungen vollautomatisiert selbst – falls gewünscht und freigegeben.

Die Lösung zur umfassenden Optimierung der Ersatzteillogistik vernetzt die dafür nötigen Prozesse auf mehreren Ebenen.

  1. Prognose: Basis der Bestandsoptimierung ist die exakte Vorhersage zukünftiger Absätze mit auf die jeweilige Branche zugeschnittenen Prognosealgorithmen, die für jeden einzelnen Artikel den Forecast optimieren, Trends, saisonale Einflüsse, Sporaden und Ausreißer automatisch identifizieren, Handlungspotenziale feststellen und empfehlen sowie Sicherheitsbestände optimieren.
  2. Disposition: Die Software kann Bestellungen automatisiert und intuitiv durchführen und berücksichtigt dabei sämtliche Rahmenbedingungen wie Mindestbestellmengen, die Rabattstruktur, Einkaufpreise, Verpackungseinheiten, den Soll-Servicegrad oder Wiederbeschaffungszeiten. Einkäufer können ihr Wissen um Abläufe und zu erwartende Ausnahmen interaktiv in das System einpflegen. Die Lösung hat ihrerseits auch den Sicherheitsbestand im Blick und rechnet Lagerhaltungs- und Kapitalbindungskosten mit ein, um für jeden einzelnen Artikel ein stets optimales Bestandslevel zu halten.
  3. Management-Dashboards: Die Disponenten haben alle relevanten Kennzahlen auf dem Dashboard zur Hand und treffen so ihre Entscheidungen auf Basis einer fundierten und permanent aktuellen Datenlage: Analysetools zeigen ihnen etwaige strukturelle und strategische Schwachstellen im Artikelsortiment auf, alternative Szenarien können sie mit „Was-wäre-wenn“-Simulationen durchspielen. Für Berichte an das Management gibt es zudem übersichtliche Reporting-Tools.
  4. Priorisierung und Workflow: Der Bestandsmanager bekommt jede bestehende Bestellung priorisiert sowie nach Dringlichkeit sortiert und erkennt auf einen Blick, in welcher Phase sich jeder einzelne Artikel befindet und wo Handlungsbedarf besteht. Wiederkehrende Anforderungen, zum Beispiel, wenn Artikel in einer regelmäßigen Struktur bestellt werden, übernimmt die Software automatisch. Der Bestandsexperte hat damit Zeit für seine konzeptionellen Aufgaben.

Lagerbestände sind trotz volatiler Märkte ausgeglichen

Die Bedarfsplanung ist im Aftermarket ein wesentlicher Faktor für den unternehmerischen Erfolg. Febi Bilstein gilt vielleicht auch deswegen inzwischen als einer der größten Hersteller und Lieferanten von Pkw- und Nkw-Ersatzteilen im Independent Aftermarket. Trotz der internationalen Expansion in Verbindung mit der jährlichen Aufnahme von 2.000 neuen Artikeln bleibt die Liquidität des Unternehmens auf einem konstanten Niveau, die Lagerbestände sind trotz volatiler Märkte ausgeglichen. Hohe Warenverfügbarkeit und Liefertermintreue sind sichergestellt. Das Unternehmen erlebt bei gleichzeitigem Wachstum eine wesentliche Arbeitserleichterung im operativen Einkauf. Und das Wichtigste: Die Ersatzteile sind am Ende da, wo sie sein sollen.

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