Instabile Lieferketten: Risikomanagement ist nicht an der Tagesordnung

Instabile Lieferketten: Risikomanagement ist nicht an der Tagesordnung

29. Juni 2022 0 Von Dr. Frauke Hewer

Lieferungen und Liefertermine werden immer unsicherer. Die wenigsten Unternehmen jedoch können auf ein professionelles Risikomanagement zurückgreifen. Das hat eine Unternehmensberatung jetzt in einer neuen Studie herausgefunden. Dabei könnten Unternehmen mit den richtigen Strategien ihre Risiken minimieren.

Neun von zehn Befragten der aktuellen Risikomanagementstudie der Unternehmensberatung Inverto mussten in den vergangenen sechs Monaten Lieferausfälle hinnehmen. Entspannung erwarten die Teilnehmer der Studie nicht, im Gegenteil: Zusätzlich zu den instabilen Lieferketten rechnen sie mit weiter steigenden Preisen für Vorprodukte, Dienstleistungen und Energie.

Risikomanagement ist ein Fremdwort

Dennoch sind die Zahlen derjenigen, die strategisches Risikomanagement betreiben und mit digitalen Tools steuern, im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant auf niedrigem Niveau geblieben.

„Von unseren Kunden wissen wir, dass die ständig neu auftauchenden Lieferprobleme und die hohe Inflation extrem viel Zeit und Ressourcen gebunden haben. Dadurch war für Planung und Weiterentwicklung kein Freiraum mehr.“

Philipp Mall, Managing Director bei Inverto

Künftig wollen die Studienteilnehmer das Thema jedoch proaktiver angehen: 89 Prozent erwarten, dass das Risikomanagement in Zukunft eine gewichtigere Rolle spielt als zurzeit. Doch dass die Entscheider in den kommenden Monaten mehr Zeit haben, um sich um Planung und Implementierung einer Strategie und flankierender Software zu kümmern, ist nicht absehbar. Denn durch den Ukrainekrieg hat sich die Versorgungslage weiter verschlechtert.

Liefersicherheit ist Trumpf

So werden die Sicherung der Versorgung und das Beschränken von Preissteigerungen bis auf Weiteres die dominante Rolle im Risikomanagement spielen: „Liefersicherheit hat mit über 90 Prozent Priorität vor allen anderen Themen“, stellt Mall fest. Die massiv steigenden Einkaufspreise beunruhigen 77 Prozent der Befragten – der Anteil hat sich im Vergleich zur Vorjahresstudie um 46 Prozentpunkte mehr als verdoppelt.

Das Lieferkettengesetz, das in Deutschland 2023 in Kraft tritt, ist für knapp 44 Prozent der Befragten ein Thema. Die Mehrheit von ihnen setzt aktuell konkrete Maßnahmen um, sucht etwa den Dialog mit den Lieferanten oder definiert Standards und Regelungen bei Nichteinhaltung. Das wichtigste Nachhaltigkeitsthema ist die Reduktion des CO2-Fußabdrucks (70 Prozent), gefolgt von Umweltschäden in der Lieferkette (51 Prozent) und der Verletzung von Arbeitnehmerrechten (42 Prozent).

Nicht jede Preissteigerung ist gerechtfertigt

Komplett entgehen können Einkäufer den Kostensteigerungen nicht. Mall rät aber zu Wachsamkeit und strategischem Vorgehen: „Unternehmen sollten die Preisforderungen ihrer Lieferanten hinterfragen, nicht jede Erhöhung ist in ihrem Umfang gerechtfertigt.“ So genannte Cost Break Downs, bei denen ein Vorprodukt in seine Einzelteile zerlegt wird und diese dann bewertet werden, können Anhaltspunkte geben. Auf dieser Basis können Preismodelle mit Lieferanten vereinbart werden, so dass bei sinkenden Preisen die Entlastung direkt spürbar ist.

Um die Aufwärtsspirale zumindest zu bremsen, sollten Einsparpotenziale zum Beispiel bei nicht strategischen Gütern, aber auch durch technische Optimierungen („Design-to-Cost“) oder Bedarfsoptimierungen gezielt gesucht und ausgenutzt werden. „So lassen sich Preissteigerungen ausbalancieren und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen“, erklärt Mall.

Trotz aller Belastungen rät Mall dringend, das Risikomanagement weiter auszubauen und digitale Lösungen zur Steuerung zu nutzen: „Investitionen in Brandschutz sind immer besser als Feuer löschen.“

Studie zum Risikomanagement

83 Einkaufsverantwortliche und Geschäftsführer überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum und Großbritannien nahmen an der aktuellen Risikomanagementstudie teil. Rund die Hälfte von ihnen stammt aus den Industriebranchen Chemie, Konsumgüter, Automotive sowie Maschinen- und Anlagenbau. Interessierte können das Whitepaper mit den Studienergebnissen kostenlos hier herunterladen.

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