Onofrio Defina von UFI Filters: „In Schwierigkeiten liegen auch Chancen“

Onofrio Defina von UFI Filters: „In Schwierigkeiten liegen auch Chancen“

9. Dezember 2020 0 Von Dr. Frauke Hewer

Beim Filter- und Thermomanagement-Spezialisten UFI Filters hat Onofrio Defina im Oktober 2020 die Position des Leiters Aftermarket für Europa, den Nahen Osten und Afrika (EMEA) übernommen. aftermarket-trends hat ihn zur aktuellen Situation und seinen Plänen interviewt.

amt: Sie starten als Sales- und Marketingdirektor in schwierigen Zeiten. Welche Herausforderungen hatte das Jahr 2020 für Ihr Unternehmen? Wo lagen für UFI die größten Probleme?

Onofrio Defina: Als ich im Oktober nach einem vorübergehenden leichten Aufschwung die Leitung übernommen habe, war mir bewusst, dass möglicherweise eine weitere schwierige Phase bevorstehen würde.

2020 sah sich UFI mit zwei Hauptproblemen konfrontiert, einerseits mit dem Rückgang der OE-Verkäufe aufgrund des Einbruchs bei den Autoverkäufen – zwischen 25 und 30 Prozent auf europäischer Ebene im Vergleich zu 2019 (Januar-Oktober) – und andererseits mit dem Rückgang unserer AM-Verkäufe. Der Umsatzrückgang in unserem OE-Geschäftsbereich hat sich negativ auf das Unternehmen ausgewirkt. Wir hatten allerdings nicht erwartet, dass er so deutlich ausfallen würde.

Erholung in der zweiten Jahreshälfte

Dennoch hat sich trotz der allgemein negativen Marktsituation der Umsatz in der zweiten Jahreshälfte erholt, und UFI ist es sogar gelungen, sich sehr wichtige Projekte zu sichern, nicht nur im Bereich der Filtration, sondern auch im Bereich Thermomanagement. Aus diesem Grund gehen wir davon aus, das Jahr mit einem Umsatzrückgang von nur 5-6 Prozent abzuschließen. Darüber hinaus rechnen wir mit einem positiven Jahr 2021, in dem wir glauben, wieder ein zweistelliges Wachstum erreichen zu können.

Das Thermomanagement ist ein Geschäftsbereich, den wir in den letzten 10 Jahren mithilfe wichtiger Ergebnisse und Errungenschaften kontinuierlich aufgebaut haben, die sich nun problemlos auf die Elektromobilität übertragen lassen. In der Tat können wir auf eine solide Strategie sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung zählen, die es uns ermöglichen, eine wichtige Produktpalette für die neue Generation von Motoren zu erweitern und anzubieten: Hybrid‑, vollelektrische und Brennstoffzellen-Antriebssysteme. UFI Filters hat schon immer 5 Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert. Gegenwärtig verfügen wir weltweit über drei hochmoderne Innovationszentren in Italien, China und Indien.

UFI: gut gerüstet für die Elektrifizierung

Für die neuen Herausforderungen der Elektrifizierung sind wir daher bestens gerüstet. Gleichzeitig stellen wir weiterhin unsere herausragenden Technologien für die traditionellen Verbrennungsmotoren in den Segmenten Schwerlastfahrzeuge für Straße und Gelände, bei denen der Elektrifizierungsprozess langsamer ablaufen wird, sowie für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist unser Luftfilter UFI MULTITUBE, für den sich bereits Maserati und Porsche entschieden haben.

Was den Aftermarket betrifft, so begann das erste Quartal des Jahres mit den besten Aussichten. Im zweiten Quartal des Jahres trat jedoch aufgrund der von vielen Ländern beschlossenen Lockdowns und restriktiven Maßnahmen eine Wende ein. Von diesem Rückgang haben wir uns in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 dank des in der Krisenzeit verfolgten Ansatzes und unserer globalen Präsenz wieder erholt. Wir haben unsere Aktivitäten nie wirklich eingestellt, nicht einmal während des Lockdowns, da wir unsere Produkte weiterhin von unseren Lagern in Europa aus lieferten.

Im Lockdown großzügige Kreditlinien für die Kunden

Durch eine langfristige Lieferkettenstrategie haben wir unseren Materialbestand vor dem Ausbruch der Pandemie erhöht, sodass wir negative Auswirkungen auf unsere Aftermarket-Kunden vermeiden konnten. Darüber hinaus können wir uns stets auf unsere 19 Industriestandorte auf der ganzen Welt verlassen, über die wir jeden Engpass problemlos auffangen können, der durch Lockdown-Beschränkungen in einzelnen Ländern entsteht. Während der schwierigen Zeit im Frühjahr unterstützten wir unsere Aftermarket-Kunden durch die Einräumung von Kreditlinien im Rahmen der Initiative „ripartiamo insieme“ (Gemeinsam neu starten).

Wir haben unser gesellschaftliches Engagement schnell und unkompliziert ausgebaut, indem wir an einigen unserer Industriestandorte Gesichtsmasken zum Schutz gegen Covid-19 hergestellt haben. Aufgrund der Ausnahmesituation und des Mangels an persönlicher Schutzausrüstung haben wir auf Konzernebene beschlossen, unsere bei der Erforschung und Entwicklung neuer Filtermaterialien gesammelte Erfahrung in die Produktion von Atemschutzmasken, FFP2-Masken und chirurgischen Masken einzubringen.

In diesem Zusammenhang wurde unser Filtermedium – UFI Meltblown – als eines der besten auf dem Markt zertifiziert. Unser Engagement für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen erstreckt sich nun auch auf die Herstellung von Schutzausrüstung. Dank der unermüdlichen Aktivität unseres Aftermarket-Teams rechnen wir mit einem positiven Abschluss des Jahres. Wir werden in der Tat den gleichen Umsatz wie 2019 verzeichnen, was angesichts der negativen Markttrends ein hervorragendes Ergebnis ist.

UFI ist in China schon längst wieder durchgestartet

China, wo UFI Filters sechs Industriestandorte unterhält, war das erste Land, das sich der Ausnahmesituation stellen musste, was zur vorübergehenden Schließung unserer Produktionsstätten führte. Die Unterbrechung unserer Aktivitäten war jedoch nur von kurzer Dauer und fiel mit dem chinesischen Neujahrsfeiertag zusammen. So konnten wir bereits Mitte Februar unseren Betrieb wieder aufnehmen und allen unseren Mitarbeitern sichere Arbeitsbedingungen gewährleisten.

China hat sich als erstes Land von der Ausnahmesituation erholt, was uns dabei geholfen hat, die Situation an unseren anderen Standorten auf der Welt ebenfalls zu bewältigen. Auch wenn wir in Europa noch immer mit der Pandemie zu kämpfen haben, ist die Situation in China bereits unter Kontrolle, sodass die Kontinuität in der Produktion und Versorgung unserer OE- und IAM-Kunden gewährleistet ist.

Ich muss sagen, dass der Aftermarket der Sektor der Automobilindustrie ist, der am stärksten gegen die Rezession resistent ist, da sein Wachstum eher von der Größe des Fahrzeugbestandes als von der Produktion neuer Fahrzeuge abhängt. So konnten wir uns erholen, sobald die Autos wieder auf den Straßen waren und gewartet werden mussten.

Von jetzt auf gleich ins Homeoffice

Eine Herausforderung, mit der wir uns jedoch konfrontiert sahen, betraf die Organisation unserer Arbeit in der Verwaltung. UFI hat Erstaunliches geleistet, indem allen Mitarbeitern ermöglicht wurde, fast übergangslos von zu Hause aus zu arbeiten. Dies war am Anfang zweifellos ziemlich schwierig, aber alle unsere Mitarbeiter waren sehr aufgeschlossen. Wir sind mittlerweile dazu übergegangen, Flexibilität und Digitalisierung als normal anzusehen anstatt als Ausnahme.

amt: Hat sich der Markt bezüglich Ihrer Produkte im turbulenten Jahr 2020 verändert? Konnten Sie die Krise in eine Chance verwandeln?

Onofrio Defina: Trotz der weltweiten Situation glauben wir bei UFI Filters, dass, wie Einstein schon sagte, „inmitten von Schwierigkeiten oft Möglichkeiten liegen“.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der Wandel zur Elektrifizierung beschleunigen wird. Die Pandemie hat letztendlich nur einen Prozess vorangetrieben, den es in den letzten Jahren schon gab und der sich in einer steigenden Anzahl von Mild-Hybrid- und Vollhybrid-Fahrzeugmodellen, einer wachsenden Präsenz von vollelektrischen Fahrzeugen sowie großen Investitionen in die Mobilität mittels Brennstoffzellen niederschlägt.

Elektrifizierung als Chance

Tatsächlich werden viele Automobilhersteller 2021 neue elektrifizierte Modelle auf den Markt bringen, wie zum Beispiel Maserati, Audi, Mercedes Benz und Nissan-Renault. Diese Hersteller haben sich im Hinblick auf das Thermomanagement ihrer neuen Flotte von Elektroautos bereits für unsere Produkte entschieden. Dieser Trend zur Elektrifizierung stellt eine große Chance dar. Er ist ein Sprungbrett für den Ausbau unseres Thermomanagements für die Erstausrüstung. Darum investieren wir weiterhin in diesen Geschäftsbereich, um den Automobilherstellern die besten Lösungen anbieten zu können.

Gleichzeitig arbeiten wir jedoch sowohl im Bereich Erstausrüstung als auch Aftermarket intensiv an der Entwicklung von Filtrations- und Thermomanagementlösungen für den Sektor der Schwerlastfahrzeuge für Straße und Gelände. 2020 haben wir unser Aftermarket-Angebot für das Lkw- und Bussegment in erheblichem Maße ausgebaut, und wir planen, in den kommenden Jahren in diesem Geschäftsbereich weiter zu wachsen.

UFI Filters jetzt auch mit Masken

Wie bereits gesagt, konnten wir die Krise in eine Chance verwandeln, da wir dank unserer Erfahrung bei der Filtration und Herstellung von Filtermaterial in das Geschäftssegment der persönlichen Schutzausrüstung einsteigen konnten. Wir haben die UFI-Maskenreihe eingeführt: FFP2 und KN95 UFI Mask Defender, jetzt in weißer und schwarzer Ausführung erhältlich, und das Medizinprodukt UFI MEDICAL MASK, das in Schwarz und in Hellblau für Erwachsene und in Hellblau für Kinder verfügbar ist. UFI Filters nutzt so einen Teil seiner Produktionsstätten in verschiedenen Regionen der Welt für die Entwicklung von Meltblown-Gewebe – das von der Polytechnischen Universität Mailand als eines der besten auf dem Markt zertifiziert wurde – sowie von Masken und hat dafür neue Produktionslinien eingerichtet.

Eine weitere wichtige Gelegenheit ist die Einführung unseres Innenraumfiltersortiments durch eine Weiterentwicklung der Qualität dieser Produkte mit spezifischen Filtermedien. Dies gilt sowohl für den europäischen als auch für den asiatischen Markt.

Die Welt verändert sich schnell

amt: Wenn Sie an die Zukunft denken: Wie wird sich der automotive Aftermarket im nächsten Jahr und darüber hinaus entwickeln?

Onofrio Defina: Es gibt mehrere Aspekte, von denen ich glaube, dass sie sich kurz- und mittelfristig in unterschiedlichem Maße auf den Aftermarket auswirken werden. Zunächst einmal haben wir in den vergangenen Jahren die Konsolidierung der großen Akteure innerhalb des Sektors unterstützt.

Aber wie Rupert Murdoch bereits sagte: „Die Welt verändert sich sehr schnell. Groß wird klein nicht mehr schlagen. Die Schnellen werden die Langsamen schlagen. Wir werden dazu beitragen, die Großhändler zu stärken, die durch den Digitalisierungsprozess hin zu neuen Online-Vertriebskanälen eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Das Management wird von den Generationen Y und Z übernommen, die viel stärker an E-Commerce und den Umgang mit neuen digitalen Tools gewöhnt sind.

Dieser Trend wird durch eine zunehmende Anwendung von KI-Algorithmen vorangetrieben werden, die das Handelsgeschäft zwischen Mechanikern in den Werkstätten und Großhändlern unterstützen wird. Die neuen Generationen stellen sehr viel höhere Anforderungen an das Serviceniveau. Aus diesem Grund wird der Großhändler eine Schlüsselrolle spielen, um die Werkstätten mittels eines schnellen und präzisen Liefersystems zu versorgen. Selbst in den Werkstätten sehen wir eine Revolution voraus. Größere Werkstätten werden sich zu einem wichtigeren Akteur auf dem Markt entwickeln und ihr eigenes internes Ersatzteillager verwalten.

Beschleunigte Digitalisierung

Zweitens hat die aktuelle Krisensituation den Prozess zur Digitalisierung der Kanäle einfach nur beschleunigt. Aufgrund der zunehmenden Bereitschaft der Kunden, Online-Käufe zu tätigen, scheinen sich für den automobilen Aftermarket Chancen für Geschäftsmodelle und Servicelösungen im Bereich E-Commerce zu ergeben. Mehrere wichtige Unternehmen und Verbraucher haben bereits mit der Neuausrichtung auf E-Commerce für Aftermarket-Teile begonnen, ein Trend, der sich voraussichtlich auch in Zukunft fortsetzen wird. Es wird erwartet, dass bis 2035 zwischen 20 und 35 % der Teileverkäufe online abgewickelt werden.

Drittens: die Ausweitung der Aftermarket-Aktivitäten der Erstausrüster (OEMs). Mit der Alterung des Fahrzeugbestandes nimmt der Anteil der Erstausrüster am Segment der älteren Fahrzeuge ab. Das Niveau der OEM-Aktivitäten und die Ausrichtung auf den Aftermarket hat in letzter Zeit zugenommen. Einige Erstausrüster beginnen schon damit, ihre Präsenz innerhalb der Aftermarket-Wertschöpfungskette zu verstärken. Sie tun dies, indem sie zum Beispiel ihre eigenen Netzwerke von nicht markenspezifischen Reparaturwerkstätten aufbauen oder Zweitmarken oder aufgearbeitete Teile einführen, um mit unabhängigen Akteuren zu konkurrieren und Kunden länger in ihrem Netzwerk zu halten. Erstausrüster investieren auch in die Verbesserung des Kundenerlebnisses, indem sie differenzierte Serviceangebote einführen, mit denen sie beispielsweise die Fahrzeugkonnektivität nutzen, um so die Loyalität der Kunden zu fördern und die Entscheidungsfindung in Bezug auf Service und Reparatur zu beeinflussen.

OEMs drängen auf den Aftermarket

Diese drei Aspekte stellen natürlich eine Herausforderung für die Hersteller von Teilen und Komponenten dar, die ihre Strategien an diese sich ständig ändernde und weiterentwickelnde Landschaft anpassen müssen. In der Tat verstärken die OEM-Zulieferer ihre Präsenz auf dem Aftermarket, um eine überragendere Produktqualität zu gewährleisten, die dem von den Automobilherstellern gewählten Originalprodukt entspricht. Daher werden wir zu einer Stärkung dieser Akteure beitragen, wie bei UFI Filters, da wir sowohl das Erstausrüstungs- als auch das Ersatzteilenetzwerk versorgen können. Dies ist eine der Hauptstärken unseres Unternehmens, zusammen mit unserer Fähigkeit, Markttrends vorherzusehen, unserer globalen Präsenz und unserer Verpflichtung gegenüber unseren Kunden, stets ein hohes Serviceniveau aufrechtzuerhalten.

amt: Mehr und mehr Elektroautos sind auf unseren Straßen unterwegs. Welche Auswirkungen sehen Sie dabei auf Ihr Geschäft? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um auf die Dauer erfolgreich sein zu können?

Onofrio Defina: Der Trend hin zur Elektrifizierung hat lediglich unsere langfristige Strategie vorweggenommen und daher sind wir bereits darauf ausgerichtet, die Chancen des Marktes zu nutzen. Dank der kontinuierlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung, mit besonderem Schwerpunkt auf Thermomanagement und Brennstoffzellen, haben wir unsere Stellung als zuverlässiger Partner für die wichtigsten Automobilhersteller der Welt untermauert.

Elektrifizierung beflügelt Thermomanagement-Geschäft bei UFI

Wie erwartet, sehen wir in der Elektrifizierung eine Chance für unser Thermomanagement-Geschäft. Die UFI Filters Group ist seit 2010 Im Bereich der Wärmetauscher für den OEM-Automobilsektor präsent. Insbesondere die Investitionen in Forschung und Innovation haben zu einer Spezialisierung auf die Konstruktion, Entwicklung sowie die Herstellung von wassergekühlten und vakuumgelöteten Aluminium-Wärmetauschern geführt, die ein robusteres, effizienteres und saubereres Produkt ermöglichen. Wir haben zwei Werke, eines in Polen und ein kürzlich eröffnetes in Mexiko, vollständig für die Produktion unserer Wärmetauscher reserviert, und wir erweitern ebenfalls die Produktionsanlagen für diese Elemente in unseren Werken in China.

amt: Herr Defina, vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg für das Jahr 2021.

Alle Fotos: UFI Filters

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