Corona: Frust für Autobranche und die gesamte Wirtschaft
12. März 2020Kommentar von Dennis Gauert. Viren halten derzeit eine Wirtschaft im Schwitzkasten, die so fragil und aufgeblasen war wie schon lange nicht mehr. Bitcoin, die Faang-Internetkonzerne oder Deutschlands Lieblingsspekulationsobjekt Wirecard sind blühende Beispiele für überzogene Trend-Investitionen in eine ungewisse Zukunft. Nun kommt ein unbekanntes Virus Covid-19 in Wuhan zum Ausbruch und der Braten stinkt mehr denn je. Und das auch für europäische Automobilkonzerne, die viel mehr können als Kaffeeklatsch auf zwei Millionen Pixeln.
Quarantäne lähmt die gesamte Wirtschaft
Abschottung, Quarantäne und Isolation führen infolge von Corona zu Wirtschaftsschäden, die zum jetzigen Zeitpunkt kaum bezifferbar, aber immens sind. Denn die Lieferketten stehen teils still. Italien hat gar das ganze Land abgeriegelt, um der Virusinfektion Herr zu werden. Und auch der Nachschub aus China lässt auf sich warten: Daimler musste kürzlich bereits die Produktion des Hoffnungsträgers EQC aussetzen, weil kein Nachschub an Batteriezellen aus Fernost eintraf. Ähnliche Engpässe sind in zahlreichen Lieferketten von Konkurrenten und Zulieferern abzusehen.
Autobauer wollen Strafzahlungen vermeiden
Dabei haben es die Hersteller bewusst eilig. Von CO2-Limitierungen in die Enge getrieben versuchen die Autobauer und die gesamte Wirtschaft alles nur Mögliche, um Strafzahlungen zu entfliehen. Schnellstens muss also die Produktion von Elektroautos auf Hochtouren laufen, um den empfindlichen Ausgaben zu entfliehen. Zeitgleich ist die Nachfrage nach Elektroautos getrieben von Sonderangeboten, Leasingmöglichkeiten und staatlichen Subventionen, also künstlich gesteigert. Bis sich die Investitionen in die neue Technologie lohnen, stehen schwere Jahre auf dem Plan. Dabei ist nicht einmal klar, ob überhaupt noch jemand ein Elektroauto kauft, wenn Wasserstoffbrennzellen E-Fuels für den Tank des Verbrenners auch gehen.
Corona kommt ungelegen für die Wirtschaft
In der Geschwindigkeit der Entwicklungen sind bisher alle europäischen Hersteller ins Straucheln gekommen, auch in den USA ist von Stabilität nichts mehr zu spüren. Das zum Großraumproblembezirk verkommene Detroit spricht für sich. Und das ist nur die Ausgangslage auf der General Motors und Ford gerade auch noch Corona ausschwitzen müssen. Die Konzernumbauten sind jedoch auf allen Seiten von Sparkursen und digitalisierter Automation gekennzeichnet. Letztere kommt zwar langfristig günstiger, sorgt aber für schwindende Beschäftigung im Sektor. Hinzu kommt die Zusammenlegung der Entwicklungsabteilungen durch Megafusionen, die auch an der Identität mancher Marke kratzt. Nein, die Automobilindustrie kann keinen weiteren Rückschlag vertragen.
Schwarzer Montag
Und doch: Der 9. März 2020 geht als schwarzer Montag in die Geschichtsbücher ein. Schon zum Marktstart der New Yorker Börse schmierte der Dow Jones derart heftig ab, dass der Handel für 15 Minuten ausgesetzt wurde. Der sogenannte Circuit-Breaker verhinderte den Fall ins Bodenlose, konnte aber keine Schäden mehr ausgleichen. Der Ölpreis fiel am Montag um etwa 30 Prozent. Putin hatte einer gewünschten Drosselung der Ölförderung durch die Opec nicht zugestimmt und Saudi-Arabien verkaufte daraufhin Öl zu Dumpingpreisen an China. Der Kreml setzte den Kauf von Fremdwährungen für 30 Tage aus, um den fallenden Rubel vor einem Absturz zu schützen. Deutsche Automobilkonzerne, darunter BMW und Daimler landeten zweistellig im Minus, der DAX musste zeitweise acht Prozent ins Negative stürzen.
Investitionen und kein Ende
Die Automobilindustrie wie auch die gesamte produzierende Wirtschaft ist von einer Reihe fragiler Faktoren abhängig, die durch die Globalisierung an Komplexität zugenommen haben. Durch das zusätzliche Wettrennen um den besten alternativen Antrieb sind den Joint Ventures keine Grenzen gesetzt; kein Startup zu unseriös, um es nicht doch in die Entwicklung einzugliedern. Selbst vollautonome Robotaxis, für die aktuell in keiner Großstadt weltweit eine zwingende Notwendigkeit besteht, wurden tapfer erforscht, bezahlt und nun bei manchem Hersteller vorerst in die Ecke gelegt.
Jetzt wird gespart
Je nach Ausgang der Corona-Krise werden in jedem Fall zahlreiche Jobs gestrichen, Firmen insolvent gemeldet und private Immobilienkredite nicht bedient. Mit einer steigenden Nachfrage nach Neuwagen ist vor dem Hintergrund der weltwirtschaftlichen Aufräumarbeiten also nicht zu rechnen. Auch die Lieferzeiten werden sich um Monate addieren. So rücken auch wichtige Trendwenden bei den Umsätzen der Hersteller und Zulieferer in weite Ferne. Jeder 300-Mann-Betrieb, der für die Automobilindustrie fertigt, steht nun vor der Herausforderung, seine Existenz zu behaupten, größere Konzerne federn hier zumindest langsamer ab und dürfen ebenfalls mit staatlicher Hilfe rechnen. Und die braucht es.
Es braucht staatliche Hilfen
Ohne Notfallpaket für die Automobilindustrie wird der deutsche Exportschlager auf vier Rädern so schnell nicht wieder zu Kräften kommen. Zum Glück hat die Politik das schnell erkannt und wird am Mittwoch ein Notfallpaket auf den Weg bringen. Als Reaktion auf den schwarzen Montag arbeitet der Bund bereits erweiterte Regeln zur Kurzarbeit aus, um Unternehmen schneller wieder zu Kräften kommen zu lassen. Sozialbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden sollen ab April voll ersetzt werden. 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns zahlt die Bundesagentur für Arbeit. Ein milliardenschweres Zusatzpaket soll zudem das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Zeitgleich stehen laut dem Spiegel 3,3 Milliarden CO2-Strafzahlungen für die Automobilindustrie auf dem Plan. Verrückte Welt.
Fusionen werden weitergehen
Fusionen kurbeln nach dem langem Stillstand der Riesen gerade wieder den Trend an. Aktuell kommen sich PSA und Fiat-Chrysler näher mit einem riesigen Markenkonglomerat. Nun sind nur noch wenige eigenständige Automobilkonzerne existent, was den Wettbewerb neu aufmischt. Und die Trümmer von Covid-19 werden die Fusionswilligkeit auch bei anderen Konzernen steigern. Sich gegenseitig unter die Arme greifen, mehr mit weniger schaffen – das ist die Überlebensstrategie in einer Wirtschaftswelt, die Tesla den gleichen Börsenwert zuspricht wie Volkswagen. 367.500 Fahrzeuge lieferte die Traumfabrik von Elon Musk im letzten Jahr aus. Solche Zahlen schafft Volkswagen in weniger als 14 Tagen. (ampnet/deg)
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