Ernst Prost: „Da gibt es keine Trennung zwischen Freundschaften und Beruf“

Ernst Prost: „Da gibt es keine Trennung zwischen Freundschaften und Beruf“

6. Mai 2020 0 Von Jürgen Rinn

Wenn er sich selbst beschreibt, so hat sich Ernst Prost dem Verkaufen verschrieben und dem Siegen. Der Sohn einer bayerischen Fabrikarbeiterin und eines Maurers arbeitete nach seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker sowie als Juniorverkäufer. Später war er Marketingleiter bei einem renommierten Autopflegemittelhersteller. 1990 stieg er als Vertriebs- und Marketingchef bei Liqui Moly ein, bis er 1998 alleiniger geschäftsführender Gesellschafter wurde. 2018 verkaufte er seine Unternehmensanteile an die Würth-Gruppe und blieb weiterhin Geschäftsführer des Unternehmensverbunds von Liqui Moly und Meguin. Wir sprachen mit ihm über seine im Berufsleben gemachten Erfahrungen, Herausforderungen in der Zukunft, was er noch so vorhat und zu seiner Einstellung in der Corona-Krise.

Gestartet? Es ist passiert

amt: Wenn Sie nochmal Ihre berufliche Karriere starten würden, wäre das wieder im Automotivsektor?

Ernst Prost: Naja, gestartet habe ich gar nichts, und schon gar keine Karriere. Es ist halt passiert. Und darüber bin ich gar nicht unglücklich. Meine Arbeit macht mir Spaß, und ich fühle mich sauwohl dabei.

amt: Was mögen Sie besonders an dieser Branche?

Ernst Prost: Unsere Branche ist sehr menschlich. Ich kenne so viele Menschen, von denen mir in den letzten 42 Jahren sehr viele ans Herz gewachsen sind. Daneben vereinigen wir in unserer Branche die kaufmännische und die technische Welt in einem Maße wie ich es aus anderen Branchen nicht kenne.

Technischer Wandel als Herausforderung

amt: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Automotivbranche in den nächsten Jahren?

Ernst Prost: Ganz eindeutig im technischen Wandel. Den gilt es nicht nur zu beherrschen, sondern zu gestalten und ihn nicht auszubremsen, sondern maßgeblich voranzutreiben. Das mag vielen schwerfallen, die es sich auf ihrer Cashcow bequem gemacht haben, aber es ist der einzige Weg, wenn man nicht im Loch der Vergangenheit verschwinden will.

amt: Wie ist die Resonanz auf ihr berufliches Umfeld in Ihrer Familie und bei Ihren Freunden?

Ernst Prost: Da gibt es keine Trennung zwischen Freundschaften und Beruf. Zwei Patenkinder von mir arbeiteten schon seit Jahren mit, einer im Vertrieb Deutschland und der andere als Geschäftsführer von Liqui Moly USA. Mit Günter Hiermaier, Peter Baumann und Rainer Maass verbindet mich seit 30 Jahren eine enge Freundschaft, die definitiv auch der Firma Nutzen bringt. Aus vielen Geschäftspartnerschaften sind in den letzten Jahren echte Freundschaften entstanden und zwar in der ganzen Welt. Das ist eine echte Bereicherung meines Lebens.

Reise, fotografieren oder Rotwein & Dessous

amt: Wenn Sie nicht in der Automotivbranche arbeiten würden, für welche Branche würden Sie sich entscheiden und warum?

Ernst Prost: Reisen, fotografieren oder Rotwein & Dessous. Oder alles zusammen in einer neuen Kombination.

amt: Als familiengeführter Mittelständler sei man mehr den Menschen als dem Kapital verpflichtet. Da geht es um Verantwortung für die Menschen, um Arbeitsplätze, um die Gesellschaft und das Land, machten Sie im Zuge der Corona-Situation im April deutlich. Können Sie das etwas konkretisieren?

Ernst Prost: Das ist doch schon mehr als konkret. Was hatten wir nicht schon alles auf dieser Welt: Sklaverei, Leibeigenschaft, Ausbeutung, die 12 Stunden Woche und immer eine gewaltige Diskrepanz zwischen der Belohnung für Arbeit und der Verzinsung von Kapital. Erst die soziale Marktwirtschaft hat es geschafft, faire Bedingungen für Unternehmer und Arbeiter herzustellen. Diese Errungenschaft darf durch Heuschrecken nicht aufgefressen und durch globale Finanzinvestoren nicht zerstört werden. Der deutsche Mittelstand ist nach wie vor ein Leuchtturm für die freie und soziale Marktwirtschaft, die der gesamten Gesellschaft dient und nutzt.

1000 Arbeitsplätze erhalten ist nicht leicht für Ernst Prost

amt: Am 31. März 2020 haben Sie ihren Mitarbeitern mitgeteilt, dass Sie ab sofort auf Ihr Gehalt verzichten wollten, um mit diesem Anteil an den Einsparungen Arbeitsplätze zu sichern. Wie wurde das in Ihrem Unternehmen aufgenommen?

Ernst Prost: Also vorausschicken muss ich, dass selbst bei meinem nicht ganz so schlechten Gehalt die Möglichkeiten begrenzt sind, 1000 Arbeitsplätze zu erhalten. Aber es ist ein Signal, eine Geste die zeigen soll, dass wir jetzt alle zusammen stehen müssen um, die Krise zu meistern. Das haben meine Kolleginnen und Kollegen sehr gut verstanden. Passend dazu habe ich ja auch 1500 € Corona Erschwerniszulage an jeden einzelnen von uns ausbezahlt. Und das nicht nur an unsere Mannschaft in Deutschland, sondern überall auf der Welt, wo wir arbeiten. Ich darf Ihnen sagen, dass diese extra Kohle nicht nur höchst willkommen war, sondern in vielen Fällen auch dringend notwendig, weil der eine oder andere zweite Verdiener in der Familie schon auf der Straße sitzt oder nur noch Kurzarbeiter Geld bekommt.

amt: Diese Krise habe jetzt Gelegenheit gegeben, am Gemeinwohl noch intensiver als sonst mitzuwirken. Ihr Haus tut dies mit Produkten aus der Fertigung, die kostenlos an Rettungsdienste abgegeben werden. Verschenken Sie jetzt mehr als Sie verkaufen?

Ernst Prost: Das ist tatsächlich an zwei Tagen passiert. Wir haben an Rettungsdienste mehr verschenkt, als wir an unsere Kunden verkauft haben. Das wird sich hoffentlich bald wieder ändern und umdrehen. Aber es hat sehr viel Freude und Sinn gemacht, unsere Rettungsdienste mit Produkten zu unterstützen. Das haben wir übrigens nicht nur in Deutschland so durchgezogen, sondern in vielen anderen Ländern dieser Welt, in denen genauso wie bei uns das Gesundheitswesen stark unter Kostendruck leidet.

amt: Die gegenwärtige Corona-Pandemie und der damit verbundene Shutdown der Wirtschaft bedeuten für den Automotivbereich in weiten Teilen Stillstand. Wie beurteilen Sie die künftige Situation?

„Wir werden einen noch nie dagewesenen Aufschwung erleben“

Ernst Prost: Dieser Shutdown geht an die wirtschaftliche Substanz vieler Unternehmen. Keine Frage. Der Staat muss viel frisches Geld in die Wirtschaft pumpen, um das System nicht vollends kollabieren zu lassen. Das ist so notwendig wie Öl im Motor. Wenn wir es schaffen, den Exodus der Wirtschaft mit den Firmen und den dazugehörigen Arbeitsplätzen zu vermeiden, werden wir im Anschluss wieder einen noch nie dagewesen Aufschwung erleben, weil wir ja nichts wie in einem Krieg zerstört haben, sondern nur den Schalter wieder umlegen müssen um Konsum, Produktion und Investitionen wieder anzukurbeln.

Über Liqui Moly

Die Anfänge von Liqui Moly reichen über 60 Jahre zurück. Gegründet wurde das Unternehmen 1957. Das erste Produkt war ein Öladditiv, das den Festschmierstoff Molybdändisulfid (MoS2) enthielt und dadurch den Motor vor Verschleiß schützt. Auf dieses Additiv bezieht sich auch der Firmenname: Liqui, weil es ein flüssiges Additiv ist, und Moly wegen des Molybdändisulfids. Im Lauf der Jahre wurde das Sortiment immer weiter ausgebaut. 2006 kaufte das Unternehmen seinen damaligen Zulieferer Meguin und besaß von da an ein eigenes Ölwerk. Motoröle und Additive sind die beiden wichtigsten Standbeine des Ulmer Unternehmens. Im Lauf der Jahre wurde das Sortiment immer weiter ausgebaut. Hinzu kamen Serviceprodukte, Autopflege, Fette und Pasten, Unterbodenschutz und Scheibenkleber sowie Werkzeuge und Ausrüstung für die Anwendung der Produkte. Insgesamt sind es über 4000 Artikel, die das Unternehmen zum Vollsortimenter für Autochemie machen. Außer für Autos hat man zudem eigene Produktlinien für Motorräder, Fahrräder, Nutzfahrzeuge und Baumaschinen, für Gartengeräte und Industrieanwendungen sowie für Boote und kleine Flugzeuge.

Im Jahr 2018 verkaufte der geschäftsführende Gesellschafter Ernst Prost seine Anteile an die Würth-Gruppe, blieb aber weiterhin Geschäftsführer des Ulmer Unternehmens, das seinen Ausführungen zufolge kerngesund dastand. Dabei verwies er auf eine hohe Eigenkapitalquote und auch in dem Jahr wieder einen neuen Umsatzrekord. „Ich wollte in aller Ruhe Vorsorge treffen, wenn es uns gut geht und wir nicht unter widrigen Bedingungen entscheiden müssen“, sagte damals Ernst Prost.

Zur Würth-Gruppe bestehe eine lange Beziehung, so Prost. Denn seit fast 20 Jahren war damals die Würth-Gruppe bereits stiller Teilhaber der Ulmer. Abgesehen vom Eigentümerwechsel im Hintergrund änderte sich nichts. Liqui Moly blieb ein eigenständiges Unternehmen innerhalb der Würth-Gruppe und Ernst Prost der Geschäftsführer. Auch für die Beschäftigten änderte sich nichts. „Wer mich kennt, weiß, dass bei mir die Mitunternehmer im Vordergrund stehen“, machte damals Ernst Prost deutlich und merkte an: „Es wäre ja auch unsinnig, am Erfolgskurs der letzten Jahre etwas zu ändern. Es geht genauso weiter wie bisher, nur eben unter einem größeren Dach, das mehr Schutz bietet.“

Foto: Liqui Moly

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