Corona trifft Markenbetriebe mehr als freie Werkstätten

Corona trifft Markenbetriebe mehr als freie Werkstätten

5. Mai 2020 1 Von Dr. Frauke Hewer

Die Unternehmensberatung Bain & Company hat untersucht, wie Player im automotive Aftermarket mit der Corona-Krise umgehen. Eins der Ergebnisse: der freie Markt leidet weit weniger als der markengebundene. Weltweit ist laut dieser Studie der Aftersales-Markt eingebrochen.

Der Umsatz mit Reparaturen, Wartungen und Ersatzteilen sinkt demnach 2020 weltweit um bis zu 15 Prozent. Nicht berücksichtigt dabei ist China. Bis 2025 werden die Geschäfte ebenfalls deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. So dürften die Autohersteller und ihre angeschlossenen Servicebetriebe Umsatzeinbußen von rund 6,5 bis 8 Prozent verzeichnen und damit stärker unter der Krise leiden als der Gesamtmarkt mit rund 4 bis 6 Prozent. Der gesamte Aftersales-Markt umfasst neben Autoherstellern auch Zulieferer, unabhängige Werkstätten sowie Servicebetriebe mit Herstellerverträgen. Das hat die Analyse „Covid-19 in Automotive: Implications on Aftersales and Successful Crisis Management“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben.

Aftersales-Markt ist und bleibt stabil

„Im Gegensatz zum Neuwagenverkauf war das Aftersales-Business selbst in schwierigen Zeiten immer stabil und profitabel – und somit stets ein Anker für die gesamte Automobilbranche. Die Corona-Pandemie wird jedoch wegen der in weiten Teilen noch anhaltenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens auch in diesem Geschäftszweig zu größeren Verwerfungen führen als frühere Krisen.“

Dr. Eric Zayer, Bain-Partner

Der Lockdown in den einzelnen Ländern wirkt sich unmittelbar auf die bestimmenden Faktoren im Aftersales-Markt aus. „Die Hersteller verkaufen kaum noch Neuwagen, die Werkstätten sind zum Teil seit vielen Wochen geschlossen, die Autofahrer legen deutlich weniger Kilometer zurück und die Kaufkraft der Firmen- und Privatkunden ist gesunken“, erklärt Dr. Marcus Hoffmann, Bain-Partner und Co-Autor der Analyse. „Dies alles hat das Geschäft mit Ersatzteilen, Wartungen und Reparaturen nachhaltig erschüttert.“

Es wird weniger gefahren

Aufgrund von Homeoffice, Ausgangsbeschränkungen und nicht stattfindenden Urlaubsreisen wird sich im laufenden Jahr besonders stark der Rückgang der mit dem Pkw gefahrenen Kilometer auswirken. Servicebedarf und Unfallreparaturen sinken, weniger Verschleißteile werden ausgetauscht. Das reduziert den weltweiten Aftersales-Umsatz allein um rund 8 Prozent.

Die Kaufkraftschwäche infolge der Corona-Krise mindert die Zahlungsfähigkeit vieler Autofahrer. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und ökonomischer Unsicherheit werden private Fahrzeugbesitzer, aber auch Flottenmanager Wartungen aufschieben oder nach kostengünstigeren Lösungen suchen. Das hat ein Minus von 4,5 Prozent zur Folge. Im wahrscheinlichsten Szenario wird 2020 zudem der Neuwagenverkauf weltweit um bis zu 29 Prozent einbrechen, was zu einem geringeren Fahrzeugbestand führt. Der Aftersales-Umsatz reduziert sich infolgedessen um weitere 2,5 Prozent.

Markenbetriebe verlieren doppelt

Zwar werden die Kunden ihre Fahrzeuge in den kommenden Jahren wieder häufiger nutzen. Doch der Neuwagenverkauf wird vorerst schwach bleiben. „Gerade die geringere Zahl neuer und jüngerer Autos wirkt sich negativ auf das zukünftige Aftersales-Geschäft von Autoherstellern und ihren angeschlossenen Servicebetrieben aus, da sie von diesem Geschäftssegment besonders abhängig sind“, so Branchenkenner Hoffmann. So werden etwa weniger Originalersatzteile der Hersteller vertrieben. „Die markengebundenen Werkstätten verlieren angesichts der Corona-Krise sogar doppelt. Denn die steigende Preissensibilität der Kunden eröffnet Chancen für unabhängige und oft günstigere Anbieter.“

Die Strategie entscheidet

Für die einzelnen Marktteilnehmer ergeben sich damit unterschiedliche Strategien, um die Folgen der Pandemie einzudämmen:

  • Autohersteller müssen sich kurzfristig auf die Wiedereröffnung nach dem Lockdown in den einzelnen Ländern vorbereiten. Mittelfristig sollten sie ihre Neuwagenkunden noch effektiver an ihr eigenes Aftersales-Geschäft binden. Darüber hinaus gilt es durch attraktive und gezielte Angebote auch Fahrer älterer Fahrzeuge wieder in ihre Werkstätten zu locken.
  • Zulieferer müssen ebenfalls ihr Aftersales-Geschäft überdenken und ihre Potenziale voll ausspielen. Je nach Warengruppe bieten sich enge Kooperationen mit den Autoherstellern an. Doch auch die Etablierung eines eigenen, unabhängigen Großhandels mit Händlergruppen oder eines Onlineshops ist denkbar.
  • Unabhängige Werkstätten können jetzt die Chance nutzen, neue preissensible Kunden zu erobern und sie langfristig an sich zu binden. Das gelingt beispielsweise durch kostenlose saisonale Schnell-Checks bei Fahrzeugen oder mithilfe von Festpreisangeboten. Auch bei den Werkstätten wird der Onlinekanal an Relevanz gewinnen, um Kunden zu generieren.
  • Servicebetriebe mit Herstellerverträgen müssen doppelt investieren. Es gilt, gezielt Bestandskunden anzusprechen und zu halten und gleichzeitig ehemalige Kunden zurückzugewinnen. Um das über Wochen aufgestaute Wartungsgeschäft abarbeiten zu können, werden temporär zusätzliche Schichten notwendig sein, für die pragmatische Lösungen – etwa mobile Hebebühnen – gefunden werden müssen.
    Umfassendes und schnelles Handeln ist unverzichtbar. „Sämtliche Marktteilnehmer müssen jetzt effektiv die Kosten senken, die richtigen Serviceprodukte entwickeln, Bestandskunden ansprechen, neue Kunden von sich überzeugen und beide Zielgruppen langfristig binden“, betont Bain-Partner Zayer. „Wer dies konsequent umsetzt, minimiert die krisenbedingten Umsatzeinbrüche und sichert das Wachstum nach der Markterholung.“
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