Caravaning-Branche weiter im Höhenflug
18. Januar 2022Seit Jahren schon jagt die Caravaning-Branche in Deutschland von einem Rekord zum nächsten. Lieferengpässe trüben jedoch die Bilanz. Denn sie sorgen dafür, dass so manches Fahrzeug nicht pünktlich fertig wird.
Im Jahr 2021 konnten die Neuzulassungen von Reisemobilen wieder um 4,4 Prozent zulegen und damit erneut eine Rekordmarke setzen. Die zugleich um 15,1 Prozent sinkenden Neuzulassungen von Caravans stören jedoch die Bilanz der Freizeitfahrzeuge im Jahr 2021. Erstmals seit 2013 steht in der Summe der Neuzulassungen ein Minus, wenn auch lediglich von 0,9 Prozent. Auch der Absatz von gebrauchten Freizeitfahrzeugen zeigte 2021 anhand der vom Kraftfahrt Bundesamt registrierten Besitzumschreibungen bis November einen leichten Rückgang von 0,7 Prozent. Als Ursache sieht der Deutsche Caravaning Handels-Verband, DCHV jedoch nicht etwa eine mangelnde Nachfrage, sondern vor allem enorme Lieferengpässe bei Neufahrzeugen.
Camper geben über 14 Milliarden Euro aus
Die Caravaning-Branche hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland entwickelt. Mehr als eine Million Freizeitfahrzeuge sind zurzeit unterwegs oder stehen auf den Stell- und Campingplätzen. Ihre Bewohner oder Besitzer haben nach 12,6 Milliarden Euro in der Saison 2016/2017 in der darauffolgenden für Rekordausgaben von 14,8 Milliarden Euro gesorgt. Während der Corona-Pandemie ist der Umsatz etwas zurückgegangen, am Ende waren es immer noch gut 14,1 Milliarden Euro, die mobile Urlauber für ihre bevorzugte Art der Feriengestaltung ausgegeben haben – trotz umfassender Reisebeschränkungen und Schließung der Stellplätze.
Reisemobile erleben eine bislang einzigartige Preissteigerung
Denn gleich mehrere Veränderungen des Marktes treffen aufeinander. Das Jahr 2022 wird kaum ein Schnäppchen bereithalten. Die wesentliche Ursache für die flinke Drehung der Preisspirale ist die Rohstoffknappheit. Nicht nur die Hersteller der Basisfahrzeuge leiden unter Materialnachschub. Vor allem fehlende Mikrochips für Steuergeräte im Auto verlangsamen die Produktion oder bringen sie vollständig zum Erliegen. Fiat etwa musste das italienische Werk Sevel in Val di Sangro gleich mehrere Wochen dichtmachen. Der Ducato, immerhin Europas beliebtestes Basisfahrzeug für Reisemobile, wird bei den Auf- und Ausbauern zur heißbegehrten Ware. Dazu kommt die stark angestiegene Nachfrage der vergangenen Jahre, zweistellige Zuwachsraten haben der Caravaning-Branche volle Kassen beschert, die aber leeren sich nun geschwind, da viele Fahrzeuge nicht fertiggestellt und daher nicht ausgeliefert werden können.
Die Lieferzeiten steigen, die Preise auch
„Wir könnten viel mehr Fahrzeuge absetzen, als wir auf den Hof bekommen. Wir haben bereits Lieferrückstände bei schon bestellten Fahrzeugen und müssen zudem kaufwilligen Kunden oft lange Lieferfristen in Aussicht stellen.“
Kai Dhonau, Präsident des DCHV
Grundsätzlich sei die Nachfrage nach Reisemobilen und Caravans jedoch ungebrochen hoch. Das von der Unternehmensberatung cm&p erhobene Branchenbarometer, verzeichnete im vierten Quartal 2021 mit 50,2 Punkten insgesamt einen immer noch leicht positiven Stimmungswert im Bereich über 50 Punkten. Besonders gute Aussichten bescheinigt der Caravaning-Fachhandel den Bereichen Werkstatt, Vermietung und Shop. Als eher schwierig wird hingegen das Geschäft mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen eingeschätzt.
Caravaning-Branche: mehr Zulassungen wären möglich
„Wir hätten sicherlich deutlich höhere Zulassungen, wenn wir die Nachfrage nach Freizeitfahrzeugen zeitnah erfüllen könnten. Insofern betrachten wir den Boom nur als pausiert. Sobald sich die Lieferfähigkeit verbessert, wird sich das anhaltend große Interesse am Caravaning auch wieder in den Neuzulassungen widerspiegeln“, erklärt Dhonau.
Doch auch in der Zulieferindustrie wie etwa Fensterhersteller Seitz oder Sanitärausstatter wie Dometic, kommt man nur noch schwer und nur noch zu stark erhöhten Einkaufpreisen an die benötigten Rohstoffe wie Kunststoff-Granulat. China habe den Markt leergekauft, heißt es dort.
Außerdem seien die Frachtkosten wesentlich höher als noch vor 24 Monaten. Wer Bauteile aus Übersee bezieht, zahlt für deren Transport mittlerweile mehr als das Doppelte. Aber die Kosten sind auch innerhalb Europas gestiegen. Berechnete ein Hersteller Ende 2017 die Vorfracht, TÜV, Gasprüfung und Auslieferungsinspektion noch mit moderaten 1050 Euro, werden für die gleichen Leistungen aktuell 1477 Euro fällig.
Fehlende Fachkräfte und kaum Nachwuchs
Die weitere Entwicklung lässt sich nur schwer einschätzen. Denn die langen Lieferzeiten für das Wunschfahrzeug erschweren eine Kalkulation. Auch für die besonderen Anforderungen bei der Produktion und Wartung von Reisemobilen und Caravans gilt Handlungsbedarf. Hier will der CIVD gemeinsam mit dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) den Ausbildungsberuf „Karosserie und Fahrzeugbaumechaniker, Fachrichtung Caravan und Reisemobiltechnik“ schaffen. 2023 sollen die ersten Lehrlinge mit der Ausbildung beginnen, die dreieinhalb Jahre dauern wird. Zu lernen gibt es viel, schließlich müssen sich die jungen Menschen Kenntnisse als Installateur für Gas und Wasser, Elektrotechniker für Nieder- und Hochspannung und Fahrzeugmechaniker in einer Person aneignen.
Foto: CIVD