Familienunternehmen schweigen…
7. Dezember 2021Große Familienunternehmen in Deutschland tun sich schwer damit, ihre Erfolge zu kommunizieren. So achtet man in diesen Firmen zum Beispiel sehr auf Nachhaltigkeit. Nur: das weiß kaum jemand.
„Die weitaus meisten Familienunternehmen sehen sich in der Pflicht, so mit Ressourcen umzugehen, dass künftige Generationen frei in ihrem unternehmerischen Handeln bleiben“, sagt . Laut der Studie gestalten Familiengesellschafter die Nachhaltigkeitsstrategie zunehmend selbst mit und schaffen dedizierte Budgets. Im Zentrum stehen dabei Aspekte der geschäftlichen Kontinuität: Die meisten der befragten Gesellschafter und Geschäftsführer betrachten Nachhaltigkeit als eine wesentliche Grundlage, das eigene Unternehmen innovativ und widerstandsfähig zu halten. Außerdem sehen viele Familienunternehmen Chancen, neue Geschäftsfelder zu erschließen, Produkte am Markt zu etablieren und junge Talente für sich einzunehmen.
Michael Meier, Leiter deutsche Family Business Advisory bei Egon Zehnder
Nachhaltigkeit: auch für Familienunternehmen ein Business-Faktor
„Dennoch haben viele Familienunternehmen noch nicht vollständig erkannt, dass Nachhaltigkeit zu einem Business-Faktor geworden ist“, konstatiert Michael Meier. „Ihr Strategieprozess ist so gut wie ausschließlich wertegetrieben.“ Das zeige sich unter anderem daran, dass nicht einmal die Hälfte der Familienunternehmen Nachhaltigkeit in den Zielvereinbarungen ihrer Führungskräfte verankern. Außerdem verbinden laut Studie nur 40 Prozent der Familienunternehmen ihre Strategie mit konkreten, messbaren Vorhaben. Nur ein Drittel hat eine Nachhaltigkeitszertifizierung abgeschlossen. Und vier von zehn Unternehmen verzichten sogar darauf, über Fortschritte öffentlich zu berichten.
„Viele Familienunternehmer fürchten, sich angreifbar zu machen“, konstatiert Joyce Gesing, Beraterin in der Industrial Praxisgruppe bei Egon Zehnder. „Es bereitet ihnen Unbehagen, wie aggressiv sich manche Konzerne und Nichtregierungsorganisationen auf offener Bühne auseinandersetzen.“ Dabei gebe es für Familienunternehmen keinen Anlass, sich zu verstecken, so die Expertin. Viele von ihnen gingen über gesetzliche Vorgaben freiwillig weit hinaus. Deshalb spielten äußere Zwänge als Triebfeder für nachhaltiges Handeln in der Studie auch kaum eine Rolle.
Strategien zur Nachhaltigkeit schärfen
„Die Familienunternehmen zeigen ehrliches Interesse an vielen Aspekten der Nachhaltigkeit, von Energieeffizienz über Biodiversität bis zu fairen Arbeitsbedingungen und Transparenz in der Kommunikation“, fährt Joyce Gesing fort. Dies zeige sich unter anderem daran, dass sich Nachhaltigkeit mittlerweile wie ein roter Faden durch alle Geschäftsbereiche ziehe. Nachhaltigkeitsaspekte beeinflussten beispielsweise die Finanzplanung und den Vertrieb. Die Zeit von CSR-Projekten, die nur am Rande mit der eigenen Tätigkeit zu tun hatten, sei vorüber, so Gesing.
Michael Meier und Joyce Gesing empfehlen den Familienunternehmen, ihre Nachhaltigkeitsstrategien nachzuschärfen, Zertifikate anzustreben und selbstbewusst in die Öffentlichkeit zu treten. „Die Zurückhaltung vieler Gesellschafter hebt sich wohltuend von Marktschreierei ab“, sagt Michael Meier. „Für nachweisliche Bemühungen und handfeste Erfolge gilt aber weiterhin die Devise: Tue Gutes und rede darüber.“
Über die Studie
Teilgenommen haben 65 repräsentative Familienunternehmen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Neun von zehn der befragten Unternehmen beschäftigen mindestens 1.000 Mitarbeiter. Jeweils gut ein Fünftel gehört der Konsumgüterindustrie bzw. dem Maschinen- und Anlagenbau an. Die IT-Branche und die Automobilindustrie sowie verwandte Branchen sind mit jeweils knapp 11 Prozent vertreten. Beteiligt haben sich außerdem Unternehmen der Chemie- und Prozessindustrie sowie des Bergbaus und der Metallurgie. Befragt wurden hauptsächlich Familiengesellschafter sowie vereinzelt Aufsichtsräte, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder.