GVA: Elektromobilität bewirkt „evolutionäre Entwicklung“

GVA: Elektromobilität bewirkt „evolutionäre Entwicklung“

4. Dezember 2020 0 Von Jürgen Rinn

Bedingt durch den Lockdown im Frühjahr 2020 sank die Fahrleistung in Westeuropa um 10 bis 15 Prozent. Das schlägt sich kurzfristig auch auf die Umsätze der Kfz-Werkstätten durch. Als weitaus bedrohlicher für das Aftersales-Geschäft der Automobilbranche ist laut der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company die Tatsache, dass die Serviceumsätze pro Pkw durch die Elektromobilität in den kommenden Jahren deutlich und nachhaltig zurückgehen werden. Beim Gesamtverband Automobilteilehandel (GVA) sieht man dieses Thema offenbar relativ entspannt. Dort glaubt man an eine evolutionäre Entwicklung im freien Teilemarkt.

Die Elektromobilität zeigt Wirkung im Aftermarket-Geschäft. Bis 2035 sollen sich die jährlichen Einbußen auf 5,5 Prozent belaufen. Trotz derzeit noch eher mit homöopathischen Einheiten beim Kaufverhalten könnte die steigende Zahl von Elektroautos mit weniger verbauten Komponenten zusätzlich das Aftersales-Geschäft unter Druck setzen. 2035 führt dies laut der Bain-Studie in den fünf großen europäischen Märkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien zwar zu einem Umsatzrückgang von knapp zwei Prozent.

Hierzulande erreichte der Elektro-Pkw-Markt im Oktober laut Kraftfahrt-Bundesamt mit einem Zuwachs um 303 Prozent auf 48.039 Fahrzeuge einen neuen Rekord. Damit hat sich der Absatz im Vergleich zum Vorjahresmonat vervierfacht. Bereits knapp 18 Prozent der neu zugelassenen Pkw in Deutschland wurden im Oktober elektrisch angetrieben, ebenfalls ein Höchstwert. Im bisherigen Jahresverlauf verdreifachten sich die Neuanmeldungen (+192 Prozent) auf 252.531 E-Autos, das entsprach einem Anteil am Gesamtmarkt von 10,9 Prozent.

Verlängerung der Innovationsprämie beschleunigt Elektromobilität

Am 17.11. wurde beim „Auto-Gipfel“, einer Spitzen-Runde aus Politik und Wirtschaft beschlossen, dass die Innovationsprämie bis Ende 2025 verlängert wird. Bis dahin wird der Staat den Kauf von E-Autos und Plug-in-Hybriden mit einer Kaufprämie bezuschussen. Insgesamt gibt es bis zu 9000 Euro. Mit der Innovationsprämie verdoppelt der Bund seit Juni seinen Anteil am Umweltbonus. Damit nimmt die Elektromobilität in Deutschland Fahrt auf, 2020 könnte zum Wendejahr werden. Bis Ende dieses Jahres werden nach Berechnung der Managementberatung Horváth & Partners in ihrem „Faktencheck E-Mobilität“ über 370.000 Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, im nächsten Jahr noch einmal 200.000 Fahrzeuge mehr.

Elektromobilität stellt den Teilehandel vor neue Aufgaben

Nun ist ein Elektroauto in der Anschaffung zwar teurer als ein Diesel oder Benziner. Dafür bieten E-Autos mehr Raum, weil weniger Teile für Motorblock, Betriebsstoffe, Abgasanlage und Tanks verbaut werden müssen. Viele Teile bisheriger Motoren sind beim Elektroauto schlichtweg nicht notwendig. Nie wieder Ölwechsel oder der Wechsel von Luft-, Kraftstoff- und Ölfilter, Motorkühlung sowie Zündkerzen. Aber auch Verschleißteile wie Auspuffanlage oder Kupplung entfallen. Heißt daqs etwa weniger Teileumsatz beim Elektroauto in der Werkstatt?

Denn durch den Wegfall vieler Teile, sind folglich die Kosten für Wartung und Reparatur auch anders verteilt. Anders verteilt wird dann aber auch der Umsatz im Teilehandel sein. Die Elektromobilität stellt den Teilehandel vor neue Aufgaben. Denn spätestens hier stellt sich die Frage, wie und mit welchen Mitteln will man dort diesem Phänomen entgegenwirken, um den Umsatzrückgang zu kompensieren. Dazu haben wir beim Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA), der politischen Interessenvertretung des freien Kfz-Teile-Großhandels in Deutschland, nachgefragt.

GVA glaubt an „evolutionäre Entwicklung“

Dort gibt man an: Zweifellos verfügen reine Elektroautos über deutlich weniger Verschleißteile als die klassischen Verbrenner. Bei den Hybridfahrzeugen sieht es schon wieder anders aus, da sie ja über beide Antriebstechnologien verfügen. Die Durchdringung des Fahrzeugbestandes mit reinen Elektrofahrzeugen ist in Deutschland bislang recht gering, wird aber – auch weil politisch gewollt –weiter zunehmen. Für den Teilehandel bedeutet diese Entwicklung, dass das eigene Produktsortiment sich auf lange Sicht ändern wird.

Ohnehin analysieren die Unternehmen laufend die Nachfrageentwicklung der Werkstattseite und reagieren natürlich auf Veränderungen, indem sie neue Produkte in ihr Sortiment aufnehmen. Bei Elektrofahrzeugen spielen übrigens zum Beispiel weiterhin die Reifen eine wichtige Rolle, und auch die notwendige Kühlung der Antriebsaggregate ist nicht zu vernachlässigen, ganz zu schweigen von den Batterien. Und Autoglas, Scheinwerfer und Blechteile bilden auch bei einem Elektrofahrzeug die Außenhülle, die bisweilen repariert werden muss. Auf der anderen Seite wird nach und nach der Absatz typischer Verschleißteile der „Verbrenner“ zurückgehen. Diese Entwicklung wird nicht disruptiv, sondern evolutionär sein; allerdings ist die Zeitspanne dieser „Evolution“ auch nicht unendlich lang.

Teilehändler als Unterstützer seiner Kunden im Servicegeschäft

Der Teilehandel muss sich auch auf andere Veränderungen in der Branche einstellen, die etwa durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung getrieben werden. Dabei hat er sich immer als Partner seiner (Werkstatt-)Kunden gesehen. Das soll sich auch in der Zukunft nicht ändern, und deshalb werden sich die Unternehmen stärker auch als „Enabler“ ihrer Kunden positionieren. Der Teilehändler, der seine Kunden dabei unterstützt, erfolgreich im Servicegeschäft zu sein, kann auch selbst davon profitieren.

Foto: ProMotor/Volz 

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